Stellungnahmen

Stellungnahme zum Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung des Verbraucherschutzes im Wettbewerbs- und Gewerberecht

Der BDIU unterstützt die vorgesehenen Erweiterungen des Gesetzes gegen unlauteren Wettbewerb und haben gegen die grundsätzliche Zielrichtung des Entwurfs, insbesondere gegen die Erweiterung um einen Schadensersatzanspruch für Verbraucher in § 9 Absatz 2 UWG-E, keine Einwände.

Allerdings geben zwei Aspekte Anlass zu kleineren Anpassungen des RefE:

Zum einen sind das Jüngere Entwicklungen der höchstrichterlichen Rechtsprechung zu § 5 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 Fall 1, Anhang Nr. 29 zu § 3 Abs. 3 UWG.

Zum anderen folgt dies aus der Entschließung des Deutschen Bundestages vom 27. November 2020 (BR-Drs. zu 720/20), mit der die Bundesregierung dazu aufgefordert wird, bis zum 31. März 2021 einen Vorschlag vorzulegen, mit dem die im Bereich des Identitätsdiebstahls bestehenden Regelungslücken geschlossen werden können.

Eine Erweiterung des § 9 UWG

  • bedeutete ein Plus an Rechtssicherheit für Unternehmen,
  • setzte zugleich Positivanreize dafür, unzulässige geschäftlicher Handlungen, die häufig gerade nicht vorsätzlicher Natur sind, durch angemessene organisatorische und technische Maßnahmen zu vermeiden,
  • ließe aber gleichzeitig die Grundsystematik des UWG mit dem Dreiklang aus Sanktionsmöglichkeit, Unterlassungs- und Schadensersatzanspruch unberührt.

Änderungsvorschlag zu Artikel 1 Nummer 5 des RefE – § 9 UWG (Schadensersatz)

(1) Wer vorsätzlich oder fahrlässig eine nach § 3 oder § 7 unzulässige geschäftliche Handlung vornimmt, ist den Mitbewerbern zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet.

(2) Wer vorsätzlich oder fahrlässig eine nach § 3 unzulässige geschäftliche Handlung vornimmt, ist den Verbrauchern zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet. Dies gilt nicht für unlautere geschäftliche Handlungen nach den §§ 3a, 4 und 6.

(3) Eine Fahrlässigkeit nach Absatz 2 liegt nicht vor, wenn die Einhaltung von geeigneten Maßnahmen zur Verhinderung unzulässiger geschäftlicher Handlungen nachgewiesen werden kann.

(4) Gegen verantwortliche Personen von periodischen Druckschriften kann der Anspruch auf Schadensersatz nach den Absätzen 1 und 2 nur bei einer vorsätzlichen Zuwiderhandlung geltend gemacht werden.“

Begründung

Die vorgeschlagene Vorschrift in § 9 Abs. 3 (neu) UWG würde mehr Rechtssicherheit bedeuten und zugleich zu mehr Bewusstsein für erforderliche Schutzmechanismen bei den Adressaten der UWG-Vorschriften – den Wirtschaftsunternehmen, insbesondere im Bereich Forderungsmanagement – führen.

Können Unternehmen nachweisen, dass sie ein System zur Überprüfung, mithin geeignete Maßnahmen zur Verhinderung unzulässiger geschäftlicher Handlungen etabliert haben und diese im konkreten Vorwurfsfall beachtet und befolgt haben, muss dies zur Abwehr von einem gegen sie vorgebrachten Fahrlässigkeitsvorwurf genügen.

Die Ergänzung des § 9 UWG um eine dahingehende klarstellende Regelung ist daher angebracht.

Die Ergänzung würde zudem die Wirtschaftsakteure insbesondere hinsichtlich der durch Identitätsdiebstähle und Personenverwechslung hervorgerufenen Probleme sensibilisieren.

Genau dazu hat der Bundestag die Bundesregierung in seiner Entschließung im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens zum Gesetz zur Verbesserung des Verbraucherschutzes im Inkassorecht am 27.11.2020 (a.a.O.) aufgefordert.

Warum käme es zu einer Sensibilisierung der Wirtschaftsunternehmen?

Nach Auffassung des Bundesgerichtshofs (BGH, Urteil vom 06.06.2019 - I ZR 216/17) ist die Aufforderung zur Bezahlung nicht bestellter Waren/Dienstleistungen „per se“ wettbewerbswidrig. Der BGH sieht die Aufforderung zur Bezahlung nicht bestellter Waren/Dienstleistungen als irreführende geschäftliche Handlung im Sinne von § 5 Abs. 1 Satz 2 Fall 1 UWG an, wenn der angesprochene Verbraucher der Aufforderung die Behauptung entnimmt, er habe die Ware/Dienstleistung bestellt. Dabei komme es darauf an, welchen Gesamteindruck die Zahlungsaufforderung bei den angesprochenen Verkehrskreisen hervorrufe.

Das ist soweit nachvollziehbar. Problematisch und realitätsfremd ist hingegen, dass es einer Unlauterkeit nach § 5 Abs. 1 Satz 1 UWG nicht entgegensteht, dass der Unternehmer, sein Anwalt oder Rechtsdienstleister zum Zeitpunkt der Zahlungsaufforderung in der ihm nicht vorwerfbaren irrtümlichen Annahme einer tatsächlich vorliegenden Bestellung gehandelt hat. Der BGH geht sogar so weit, dem Unternehmer Unlauterkeit anzulasten, wenn die Ursache für den zugrundeliegenden Irrtum nicht einmal im Verantwortungsbereich des Unternehmers liegt.

Dies führt im Wirtschaftsverkehr zu unberechenbaren Risiken und schafft Rechtsunsicherheit im Bereich des Forderungsmanagements –für die eigentlichen Gläubiger ebenso wie für ihre professionellen Rechtsdienstleister. Werden den Unternehmen keine Vorgaben gemacht, wie sie sich exkulpieren können, wird dies in Zukunft durch den Schadensersatzanspruch für Verbraucher zum Ausgleich individueller Nachteile noch verschärft werden.

Selbstverständlich stellen wir nicht in Abrede, dass die Aufforderung zur Bezahlung nicht bestellter Waren/Dienstleistungen unlauter ist. Auch die europarechtlich gebotene und verbraucherpolitisch nachvollziehbare Ergänzung des persönlichen Anwendungsbereichs des § 1 UWG um Schadensersatzansprüche für Verbraucher stellen wir nicht in Frage.

Natürlich muss das mahnende Unternehmen seinen Sorgfaltspflichten umfassend nachkommen und darf nicht ohne manuelle oder automatisierte Prüfung zum Forderungsausgleich auffordern.

Aber: Es muss sichergestellt sein, dass sich Schadensersatzansprüche nur gegen Personen richten, die die Unlauterkeit einer Handlung auch zu vertreten haben.

Mit der von uns vorgeschlagenen Änderung würden die Unternehmen, seien es die Gläubigerunternehmen oder deren Rechtsdienstleister, explizit aufgefordert, ein (Prüf-)System zu etablieren und zu befolgen. Steht der Vorwurf eines Identitätsdiebstahls im Raum, könnten die Unternehmen nachweisen, dass sie das Mögliche und Erforderliche getan haben, um Sicherheit zu haben, dass sie die Forderung gegen die richtige Person geltend machen.

Gelingt dieser Nachweis, entkräftet das betroffene Unternehmen den Fahrlässigkeitsvorwurf.

Im Onlinehandel bringt die erwähnte BGH-Rechtsprechung aber auch noch weitere Unsicherheit. Gerade in Deutschland ist der Kauf auf Rechnung als besonders verbraucherfreundliche Form der Geschäftsabwicklung auch online in zahlreichen Konstellationen der Regelfall und wird von sehr vielen Verbrauchern nachgefragt. Diese Zahlungsmethode nicht anbieten zu können, bringt dem Händler im Wettbewerb einen klaren Nachteil.

Kauf auf Rechnung bedeutet Rechnungsstellung nach Lieferung der Ware oder Bereitstellung der Dienstleistung.

Problematisch ist dabei der Fall, dass Rechnungen oder Mahnungen irrtümlich an den falschen Empfänger übermittelt werden. In Relation zu hunderten von Millionen Geschäftsvorgängen im eCommerce kommt dies zwar praktisch nie vor. Beim seit Jahren stetig und rasant wachsenden Onlinehandel führt die nahezu unüberschaubare Menge von Vertragsschlüssen aber dennoch zu einer gewissen Zahl derartiger Fehler und Versehen.

Der Händler kann dies in zwei Konstellationen kaum, der Rechtsdienstleister im Forderungseinzug kann es gar nicht vermeiden, jedenfalls nicht mit einem wirtschaftlich noch irgendwie vertretbaren Aufwand.

  • Fallkonstellation 1: Personenverwechslungen Kommt es im gläubigereigenen Rechnungsstellungsprozess oder im Mahnwesen (durch einen professionellen Rechtsdienstleister im Forderungseinzug) zu Postrückläufern („unbekannt verzogen“), ermitteln Gläubiger bzw. ihre Rechtsdienstleister neue Kontaktdaten des nicht auffindbaren Schuldners. Hierfür erfolgen Anfragen bei Einwohnermeldeämtern, Auskunfteien oder Adressdienstleistern. In seltenen Ausnahmefällen kann es vorkommen, dass die von einem Meldeamt auf die Anfrage übermittelten Daten zwar scheinbar dem gesuchten Schuldner zuzuordnen sind, tatsächlich aber zu einer anderen Person gehören. Das kann bei sehr geläufigen Vor- und Nachnamenkombinationen vorkommen. Auch bei häufigen oder erst kürzlich erfolgten Umzügen treten derartige Fehler auf. Meistens sind nicht aktualisierte oder fehlerhafte Daten von Einwohnermeldeämtern die Ursache. Dann wird ein Verbraucher irrtümlich mit einer im Hinblick auf ihn falschen, tatsächlich aber gegen einen Dritten bestehenden Forderung konfrontiert. Der Gläubiger oder sein Rechtsdienstleister können dies mit verhältnismäßigen Mitteln leider kaum verhindern.
  • Fallkonstellation II: Identitätsdiebstahl Identitätsdiebstähle stellen einen Fall des Warenkreditbetrugs. Im Onlinehandel zählen sie leider zur Alltagskriminalität. Kriminelle nutzen Identität und Kontaktdaten eines Verbrauchers, häufig von exponierten Personen, tätigen in deren Namen Bestellungen und fangen die Ware im Zustellprozess ab. Rechnungen, spätestens aber Inkasso-Mahnungen gehen dann an das Opfer des Identitätsdiebstahls. Weder Onlinehändler noch Rechtsdienstleister können den Sachverhalt eigenständig aufklären. Verschulden liegt weder aufseiten des Gläubigers noch seines Rechtsdienstleisters vor. Regelmäßig ermöglicht erst die Mitwirkung des Opfers, das irrtümlich mit unberechtigten Ansprüchen konfrontiert wurde, die Aufklärung des tatsächlichen Sachverhalts.

Diese Mitwirkung war auch aus Sicht des BGH lange Zeit zumutbar: Mit unberechtigten Ansprüchen konfrontiert zu werden, gehört nach Ansicht des BGH grundsätzlich zum allgemeinen Lebensrisiko (BGH, Urteil vom 12.12.2006, Az. VI ZR 224/05).

Spätestens durch die oben erwähnte neue BGH-Rechtsprechung bezüglich der Zahlungsaufforderungen zu unbestellten Waren/Dienstleistungen laufen Onlinehändler und beauftragte Inkassodienstleister nun bei jeder Mahnung oder Zahlungserinnerung Gefahr, Adressat zumindest eines Unterlassungsanspruchs zu werden.

Die weitergehende Gefahr, obwohl allenfalls Fahrlässigkeit vorwerfbar ist, mit unberechtigt erhobenen Schadensersatzansprüchen konfrontiert zu werden, muss durch klar formulierte Vorgaben und Anforderungen, nach denen sich die Unternehmen richten können, minimiert werden.

Die Wirtschaft arbeitet weiter sehr engagiert daran, geeignete Maßnahmen und Prozesse zu etablieren, um Personenverwechslungen und Identitätsdiebstähle so weit wie irgend möglich zu verhindern. Diese Anstrengung sollte der Gesetzgeber auch honorieren. Daher regen wir an, den § 9 UWG-E um den vorgeschlagenen Absatz 3 zu erweitern. Der im RefE vorgeschlagene Absatz 3 würde zu Absatz 4 werden.