Stellungnahmen

Stellungnahme zum Gesetzentwurf zum Ausbau des elektronischen Rechtsverkehrs mit den Gerichten

Die weitere Entwicklung des elektronischen Rechtsverkehrs begrüßen wir, da das Verfahren geeignet ist, einfachere und schnellere, damit effizientere Abläufe zu gewährleisten: Bearbeitungszeiten werden reduziert, Postlaufzeiten entfallen und durch den Wegfall von Medienbrüchen entstehen weniger Übertragungsfehler.

Wir begrüßen auch das Vorhaben, Registrierungsverfahren länderübergreifend einheitlich zu definieren und umzusetzen.

Änderungsvorschläge

Zu Artikel 1 Nummer 4 RefE (§ 173 ZPO-E - Zustellung elektronischer Dokumente)

Absatz 1 Nr. 1:

Zwar wird der Wortlaut von dem nun zu streichenden § 174 ZPO übernommen, so dass es sich um keine neue Formulierung handelt. Um Rechtsklarheit zu schaffen, schlagen wir dennoch vor, zu präzisieren, welchen Berufsgruppen eine „erhöhte Zuverlässigkeit“ im Sinne der Vorschrift zugesprochen wird.

Die Erweiterung um „sonstige Personen, bei denen aufgrund ihres Berufes von einer erhöhten Zuverlässigkeit ausgegangen werden kann“ ist unseres Erachtens zu unspezifisch, um daraus eine Verpflichtung für bestimmte Berufsgruppen bzw. Branchen abzuleiten. Es wäre zunächst der Begriff der „erhöhten Zuverlässigkeit“ zu definieren, um in einem zweiten Schritt die Berufsgruppen bzw. Branchen zu identifizieren, auf die die zuvor definierten Charakteristika zutreffen. Andernfalls sind nicht intendierte Abgrenzungsprobleme zu erwarten.

Absatz 1 Nr. 2:

Die Berücksichtigung der Anstalten öffentlichen Rechts führt insbesondere im Finanzsektor zu einer Ungleichbehandlung von Unternehmen mit gleichem Geschäftsmodell. Während beispielsweise Sparkassen und Landesbanken unter die Verpflichtung des § 173 ZPO-E gestellt werden, sieht der RefE für Privat- und Genossenschaftsbanken keine Pflicht zur Erreichbarkeit über einen sicheren Übermittlungsweg vor. Grundsätzlich ist die Zustellung elektronischer Dokumente über einen sicheren Übermittlungsweg an alle Freiberufler, Gewerbetreibenden, Unternehmen sowie an alle Behörden, Körperschaften und Anstalten öffentlichen Rechts sinnvoll, um die Justizverwaltung wie auch die jeweiligen Einreicher selbst nachhaltig und umfassend zu entlasten. Erweitert gilt dies auch für die Zustellung an alle Bürger. Aufgrund des damit verbundenen Aufwands für die Registrierung aller Vorgenannten halten wir einen zeitlich gestaffelten Stufenplan für sinnvoll, der zunächst alle Berufe und Branchen umfasst, die statistisch überproportional häufig Adressaten von Zustellungen sind. Mit einer stufenweisen Einführung dürfte auch ein reibungsloser Start der elektronischen Übermittlung an und von Gerichtsvollziehern gewährleistet werden können. Dazu sollte die Liste für jede Umsetzungsstufe allerdings abschließend sein.

Vorschlag für Stufe 1:

In § 173 Abs. 2 Nr. 1 ZPO-E sollte der Passus „sonstige Personen, bei denen aufgrund ihres Berufes von einer erhöhten Zuverlässigkeit ausgegangen werden kann“ gestrichen und abschließend – neben den bereits in der Vorschrift aufgeführten Berufsgruppen/Institutionen – um folgende Berufsgruppen ergänzt werden:

  • Kreditinstitute (§ 1 Abs. 1 KWG)
  • Finanzdienstleistungsinstitute (§ 1 Abs. 1a KWG)
  • Finanzunternehmen (§ 1 Abs. 3 KWG)
  • Zahlungsdienstleister (§ 1 Abs. 1 ZAG)
  • Versicherungsgesellschaften (§ 7 Nr. 33 und Nr. 34 VAG)
  • Öffentlich-rechtliche Versorgungseinrichtungen (§ 2 VAG)
  • Rechtsdienstleister (§ 10 Abs. 1 RDG)

Vorschlag für Stufe 2:

  • Alle über Stufe 1 hinausgehenden, in einem Vollregister (Handelsregister, Vereinsregister, Partnerschaftsregister, Genossenschaftsregister) eingetragenen Unternehmen und privatrechtlichen Vereinigungen

Vorschlag für Stufe 3

  • Alle selbstständig tätigen Personen

Vorschlag für Stufe 4

  • Alle Bürger

Zu Artikel 1 Nummer7 RefE (§ 176 ZPO-E Zustellung durch Einschreiben mit Rückschein; Zustellungsauftrag)

Wir schlagen eine Ergänzung der Vorschrift durch Einfügung des folgenden Absatzes 3 in § 176 vor:

(3) Der Zustellungsauftrag ist nach Weisung des Auftragserteilenden in elektronischer Form (§ 175 ZPO-E) auszuführen, sofern dies technisch und organisatorisch möglich ist. Der mit der Zustellung Beauftragte ist berechtigt, aus dem zuzustellenden Schriftstück ein elektronisches Dokument zu erstellen.

Hintergrund der vorgeschlagenen Ergänzung ist eine möglichst umfassende Digitalisierung der Zustellung sowie die frühzeitige Digitalisierung von Dokumenten im Zustellungsprozess. Bei den nach § 173 Abs. 2 ZPO-E Verpflichteten sowie bei den mit der Zustellung Beauftragten sollten unter Effizienzgesichtspunkten parallellaufende Arbeitsprozesse für digitale und physische Zustellungen möglichst von vornherein vermieden werden.

Zu Artikel 3 Nummer 2 RefE (§ 10 ERVV-E Besonderes elektronisches Bürger- und Organisationenpostfach)

Wir schlagen eine Erweiterung der Suchfunktion in § 10 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 ERVV-E auf die elektronischen Postfächer der Gerichte und Gerichtsvollzieher vor, so dass die Vorschrift des § 10 Abs. 2 ERVV lauten sollte:

(2) Das besondere elektronische Bürger- und Organisationenpostfach muss

1. über eine Suchfunktion verfügen, die es ermöglicht, Inhaber eines besonderen elektronischen Anwaltspostfachs, eines besonderen elektronischen Notarpostfachs, oder eines besonderen elektronischen Behördenpostfachs oder das elektronische Gerichts- und Verwaltungspostfach eines Gerichts oder Gerichtsvollziehers aufzufinden,

2. für Inhaber besonderer elektronischer Anwaltspostfächer, besonderer elektronischer Notarpostfächer, oder besonderer elektronischer Behördenpostfächer oder das elektronische Gerichts- und Verwaltungspostfach eines Gerichts oder Gerichtsvollziehers adressierbar sein und

3. barrierefrei sein im Sinne der Barrierefreie-Informationstechnik-Verordnung.

Zu Artikel 3 Nummer 2 RefE (§ 11 ERVV-E - Identifizierung und Authentisierung des Postfachinhabers)

Hinweis zu § 11 Abs. 1 Nr. 5 ERVV RefE

Der von § 11 Abs. 2 Nr. 5 ERVV-E geforderte Nachweis in öffentlich beglaubigter Form ist bei in einem Register eingetragenen Organisationen entbehrlich, wenn die mit der Identitätsprüfung beauftragte öffentlichrechtliche Stelle Einsicht auf die entsprechende Registereintragung nehmen kann.

Demnach reicht ein Antrag in Schriftform aus. Die Nachweisbarkeit sowie eine gleichbleibend hohe Sicherheit der Identifizierung bliebe damit bei verringertem Antragsaufwand bestehen.

Zu Artikel 3 Nummer 2 RefE (§ 12 ERVV-E - Änderung von Angaben und Löschung des Postfachs)

Für die nach § 173 Abs. 2 ZPO-E (bisher genannten) Verpflichteten ist eine Löschung nach § 12 Abs. 2 ERVVE ausgeschlossen.

Zudem halten wir es für sinnvoll, wenn das eBO nur bei Auflösung der Rechtsperson (Liquidation, Fusion) oder im Falle von natürlichen Personen bei Aufgabe der Tätigkeit oder im Todesfall erfolgen kann. Eine jederzeitige freiwillige Löschung könnte (ggf. bewusst) die Zustellung erschweren. Wenn überhaupt, könnte die freiwillige Löschung an eine mindestens 14-tägige Kündigungsfrist gebunden werden, um laufende Zustellungen noch ausführen zu können.

Vorschlag: Einrichtung eines "elektronischen Vollmachtenregisters"

Da Inkassodienstleister in den gerichtlichen Verfahren nicht eigene Rechte, sondern die Rechte Dritter vertreten, benötigen sie einen praktikablen Weg zum Vollmachtsnachweis. Ein effektives elektronisches Verfahren kann von Inkassodienstleistern nur dann gewährt und genutzt werden, wenn auch der Vollmachtsnachweis in elektronischer Form rechtssicher möglich ist, der für die Inkassodienstleister nach geltender Rechtslage noch (teilweise) erforderlich ist, auch wenn mit § 753a ZPO eine Lockerung mit dem Gesetz zur Verbesserung des Verbraucherschutzes im Inkassorecht, das in Bezug auf diese Vorschrift am 1. Januar 2021 in Kraft getreten ist, etabliert worden ist. Wir schlagen vor, mit dem Gesetz zum Ausbau des elektronischen Rechtsverkehrs mit den Gerichten auch ein „elektronisches Vollmachtenregister“ einzurichten. Hier könnten Vollmachten beispielsweise durch Notare hinterlegt werden, die sodann von beiden Parteien offiziell widerrufen oder auch im jährlichen Rhythmus bestätigt werden könnten. Dies könnte ein besonderes bundesweites Hinterlegungsverfahren für Vollmachten sein, ähnlich wie es schon bei den Schutzschriften im gewerblichen Rechtsschutz gepflegt wird.

So würde beispielsweise auch das Verfahren im Rahmen der Bearbeitung eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses effektiver und digitalisierter ablaufen können.

Erhielten Gerichtsvollzieher dann noch bei Darlegung, dass Sie zu einer zwangsvollstreckungsrechtlichen Maßnahme von einem Inkassodienstleister beauftragt worden sind, Einsicht in das „elektronische Vollmachtenregister“, würden sich vereinzelte weitere Nachfragen von diesen bei den Inkassodienstleistern bzgl. bestehender Vollmachten, die es selbst unter Geltung des § 753a ZPO immer noch gibt, reduzieren, da sie die Information über die Bevollmächtigung aus der Einsichtnahme in das Register erhalten würden.