Stellungnahmen

Stellungnahme zum Vorschlag zur Reform des Insolvenzrechts

Zum Vorschlag des Europäischen Rats zum dem Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über präventive Rekstrukturierungsrahmen, die zweite Chance und Maßnahmen zur Steigerung der Effizienz von Restrukturierung-, Insolvenz- und Entschuldungsverfahren und zur Änderung der Richtlinie 2012/30EU (COM(2016)0723 – C8-0475/2016 – 2016/0359(COD))

Der BDIU begrüßt nach wie vor grundsätzlich die Bestrebungen der EU-Kommission zur Harmonisierung des Insolvenzrechts auf europäischer Ebene, vor allem soweit sie dazu geeignet sind, das Insolvenzverfahren unter Wahrung der Interessen der Gläubiger insgesamt effizienter zu machen.

Das Ziel des Richtlinien-Vorschlags der EU-Kommission, Hindernisse zu beseitigen, die auf Unterschiede zwischen nationalen Vorschriften und Verfahren für die präventive Restrukturierung, die Insolvenz und die zweite Chance zurückzuführen sind, befürworten wir ebenfalls im Grundsatz. Der BDIU glaubt jedoch nicht, dass dies mit dem vorliegenden Vorschlag des Rats tatsächlich möglich sein wird, ohne die berechtigten Interessen der Gläubiger zu vernachlässigen.

Im Folgenden führen wir die aus unserer Sicht wichtigsten Kritikpunkte auf:

Artikel 20: Entschuldungsfrist

Der BDIU hat grundlegende Bedenken, dass im Vorschlag des Rats eine Verkürzung der Entschuldungsfrist auf „nicht länger als drei Jahren“ vorgesehen ist. [Im Berichtsentwurf des Europäischen Parlaments vom 22.09.2017 lautet der Vorschlag, dass die Entschuldungsfrist von „höchstens drei Jahren“ nur bei erstmaliger Insolvenz gelten soll und in einem hinzugefügten Artikel 20 Abs. (1a) wird ergänzt, dass im Falle einer wiederholten Insolvenz die Mitgliedstaaten längere Entschuldungsfristen festlegen können – der BDIU begrüßt diese Vorschläge der Berichterstatterin Prof. Niebler MdEP.]

Die Verkürzung der Entschuldungsfrist würde im Bereich der Verbraucherinsolvenzen eine erhebliche Rolle spielen. Gerade bei diesen wird oftmals pfändbare Masse für die gesamte, nach deutschem Recht längere Verfahrenszeit generiert, also auch über drei Jahre hinaus.

Die in Deutschland bestehende Mindestquote, die als Anreiz für eine verkürzte Entschuldungsfrist besteht, führt dazu, dass der Gläubiger häufiger zu seinem Geld kommt. Darauf müsste er in Zukunft verzichten, da die Entschuldung nach den bisherigen Plänen weiterhin an keine Bedingungen geknüpft ist bzw. zu schnell möglich wäre. Ohnehin bestehen nicht sonderlich große Befriedigungschancen der Gläubiger in der Insolvenz. Diese Chancen würden mit der – aus deutscher Sicht – verkürzten Entschuldungsfrist nochmals reduziert.

Wird diese stark verkürzte Möglichkeit zur Entschuldung umgesetzt, sind enorme Einbußen für die Wirtschaft zwangsläufig zu befürchten: Sowohl für die Privatgläubiger als auch insbesondere für die Handwerksbetriebe, die Einzelunternehmer und die kleinen und mittleren Unternehmen ist eine Benachteiligung zu erwarten. Diese sind auf laufende Einnahmen und teilweise „auf jeden Euro“ angewiesen, um nicht selbst in eine wirtschaftliche Schieflage zu geraten, an deren Ende die eigene Existenzaufgabe drohen kann.

Eine weitere Folge der verkürzten Entschuldungsfrist wäre die Erhöhung der Risikobereitschaft beim Schuldenmachen, denn mit sinkendem Risiko steigt die Risikobereitschaft. Je geringer die Folgen fehlerhaften wirtschaftlichen Handels sind, desto mehr wird die Sorglosigkeit beim Umgang mit Geld steigen. Dies würde absehbar zu einer weiteren Verschlechterung des Zahlungsverhaltens führen und schließlich zum prozentualen Anstieg der Verschuldung von natürlichen Personen allgemein. Dass dieses nicht spurlos an der Wirtschaft vorbei ginge und auf Gläubigerseite zu weiteren Forderungsausfällen führte, die wiederum zu echten Liquiditätsengpässen bei diesen erwachsen könnten, muss allen Beteiligten klar sein.

Fehlende Öffnungsklausel für den Geltungsbereich der Richtlinie

Der BDIU vertritt den Standpunkt, dass die Richtline nicht auch in Bezug auf insolvente Verbraucher Anwendung finden sollte: Deutschland verfügt bereits über ein bewährtes Verbraucherinsolvenzverfahren. Die Richtline sollte Öffnungsklauseln enthalten, um sicherzustellen, dass das etablierte deutsche Verbraucherinsolvenzverfahren nicht beeinträchtigt wird.

Fehlender Aspekt bei der angestrebten Harmonisierung des Insolvenzrechts:

Der BDIU macht darauf aufmerksam, dass in den Mitgliedstaaten der EU erheblich unterschiedliche Regelungen zur Einzelzwangsvollstreckung bestehen. In der Bundesrepublik Deutschland dürfte innerhalb der EU das höchste Pfändungsschutzniveau (vgl. §§ 850ff. der Zivilprozessordnung/ZPO) gelten. Wenn es zu einer im Vergleich zur deutschen Regelung kürzeren Entschuldungsfrist kommt, wird es bei Senkung der Entschuldungsgrenzen alsbald zu dem unerwünschten Ergebnis eines Insolvenztourismus nach Deutschland kommen. Dies kann auf keinen Fall im Sinne der Schaffung eines einheitlichen Insolvenzrechtsrahmens sein.

Über den BDIU

Seit 1956 vertritt der Bundesverband Deutscher Inkasso-Unternehmen e.V. (BDIU) die Interessen der Inkassobranche gegenüber der Öffentlichkeit und der Politik. Mit rund 560 Mitgliedern gehören ihm etwa 70 Prozent der aktiven Inkasso-Unternehmen an, die rund 90 Prozent des Marktvolumens repräsentieren und mit mehreren zehntausend Mitarbeitern für über eine halbe Million Auftraggeber arbeiten. Zwischen fünf und zehn Milliarden Euro führen sie pro Jahr dem Wirtschaftskreislauf wieder zu und sichern so die Liquidität nicht zuletzt der kleinen und mittleren Unternehmen. Der BDIU ist der größte Inkassoverband in Europa und der zweitgrößte weltweit.