Stellungnahmen

Stellungnahme zum Regierungsentwurf eines Legal-Tech-Gesetzes

Das 2008 geschaffene Rechtsdienstleistungsgesetz (RDG) stellt grundsätzlich ein modernes, zukunftsfähiges und liberalisiertes Regelungsgefüge für die Erbringung außergerichtlicher Rechtsdienstleistungen dar. Diesen durch den Gesetzgeber in verschiedenen Reformen erreichten und von den Gerichten anerkannten Charakter des RDG gilt es nun nicht nur zu bewahren, sondern konsequent fortzuentwickeln. Dies kann noch in dieser Legislaturperiode gelingen, wenn das Gesetzgebungsverfahren dazu genutzt wird, europa- und verfassungsrechtliche Vorgaben umzusetzen und Rechtsunsicherheiten für Rechtsdienstleister und Rechtsuchende abzubauen.

Aus verbraucher- und rechtspolitischer Sicht ist es daher geboten, im Zuge des laufenden Gesetzgebungsverfahrens:

  • das Vertrauen in den Bestand der erteilten Inkassoregistrierungen nach § 10 Abs. 1 Nr. 1 RDG weiter zu stärken,
  • keine weiteren, verfassungsrechtlich nicht begründbaren Einschränkungen der Berufsfreiheit der Rechtsdienstleister durch Beschränkungen ihrer Kompetenzen zur Rechtsprüfung und -beratung vorzunehmen und sich diesbezüglich wie auch von der Bundesregierung vorgeschlagen, weiter eng an den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesgerichtshofs zu orientieren (§ 2 RDG),
  • Interessenkonflikte nach § 4 RDG bei umfassender Information der Verbraucher durch den Rechtsdienstleister auszuschließen (§§ 4 und 13f Absatz 1 RDG-E, Ergänzung des § 20 RDG),
  • sicherzustellen, dass Rechtsfolgen von RDG-Verstößen der Rechtsdienstleister nicht auf die Ansprüche der Rechtsuchenden durchschlagen.

1. Nachfrage nach Rechtsdienstleistungen auf Basis der Inkassoregistrierung zeigt gesellschaftspolitische Relevanz und Förderungswürdigkeit

Außergerichtliche Rechtsdienstleistungen, die auf der Grundlage einer Inkassoregistrierung erbracht werden, werden von Verbrauchern und Unternehmen nachgefragt.

Indem Legal-Tech-Unternehmen, die mit einer Inkassoregistrierung arbeiten, Synergien zwischen qualifizierter Rechtsberatung und moderner Technologie für viele Menschen nutzbar machen, ergänzen sie den Rechtsverkehr um eine zusätzliche Dienstleistung: Die effiziente und qualifizierte außergerichtliche Anspruchsdurchsetzung wesensgleicher und skalierbarer Ansprüche. Durch Prozessfinanzierung und Erfolgshonorare reicht das Wirken der Rechtsdienstleister – dann in Arbeitsteilung mit der Anwaltschaft – bis in das (streitige) gerichtliche Verfahren hinein.

Inkassodienstleister verschaffen rechtsuchenden Unternehmen und Verbrauchern so überhaupt erst Zugang zum Recht.

Die Bündelung von Verbraucheransprüchen gegenüber Großunternehmen und die Übernahme des Prozesskostenrisikos durch Inkassodienstleister hebt die Machtasymmetrie zwischen Verbrauchern und Unternehmen auf. Gerade Verbraucher erhalten so nicht nur Zugang zur Expertise qualifizierter und spezialisierter Rechtsberatung, sondern bündeln mit ihren Ansprüchen auch ihre Verhandlungsmacht.

Damit bieten Inkassodienstleistungen bzw. Legal Tech-Angebote einen erheblichen gesellschafts-, rechts- und verbraucherpolitischen Mehrwert: Viele Verbraucher, aber auch viele Unternehmen sahen aus Scheu vor Kostenrisiken und geringen Erfolgsaussichten lange Zeit davon ab, berechtigte Schadenersatzansprüche geltend zu machen („rationales Desinteresse“). Hier schaffen Inkassodienstleistungen und Legal-Tech erfolgreich Abhilfe.

Legal Tech auf Inkassobasis ist dabei auch anderen neuen Verbraucherschutzinstrumenten, beispielsweise der Musterfeststellungklage, weit voraus. Denn anders als bei der Musterfeststellungsklage wird der Verbraucher nicht nur theoretisch bezüglich der Rechtslage beraten, sondern ihm wird auch die praktische Anspruchsdurchsetzung abgenommen.

2. Schutzzweck des Rechtsdienstleistungsgesetzes respektieren und fördern

Der Zweck des Rechtsdienstleistungsgesetzes ist allein der Schutz des Rechtsuchenden, des Rechtsverkehrs und der Rechtsordnung vor unqualifizierten Rechtsdienstleistungen. Der Schutz oder gar Ausbau des anwaltlichen Beratungsmonopols ist von diesem Schutzzweck nicht erfasst. Folgerichtig hat die Bundesregierung den Forderungen der berufsständischen Vertretungen der Anwaltschaft eine konsequente Absage erteilt, den Markt außergerichtlicher Rechtsdienstleistungen im Sinne der Anwaltschaft zu monopolisieren, unter anderem durch

  • eine drastische Verengung der Kompetenzen der Rechtsdienstleister und
  • eine Anhebung der Qualifikationserfordernisse für die Registrierung als Inkassodienstleister.

Zwar sind derzeit – auch aus Sicht des Bundesgerichtshofs und der Bundesregierung – keinerlei belegbare Gefahren für den Rechtsuchenden, den Rechtsverkehr oder die Rechtsordnung ersichtlich, die auf das Wesen, die Arbeitsweisen oder die Qualifikation der Rechtsdienstleistungsanbieter auf Basis der Inkassoregistrierung zurückzuführen sind. Allerdings schafft das Rechtsdienstleistungsgesetz selbst gewissermaßen systemische Probleme, die ihrerseits die Position der Rechtsuchenden und den Rechtsverkehr selbst bedrohen.

3. Problemkonstellationen

In vielen Konstellationen helfen Rechtsdienstleister Unternehmen und Verbrauchern erfolgreich bei der Rechtsdurchsetzung. In einigen aufsehenerregenden Konstellationen – Mietrecht, Kartellrecht, Dieselskandal, Flug- und Fahrgastrechte – kommt es zu rechtlichen Auseinandersetzungen. Anlass dieser Auseinandersetzungen ist in keinem Fall eine Unzufriedenheit des Rechtsuchenden in Bezug auf die Tätigkeit der von ihnen beauftragten Inkassodienstleister; in aller Regel sind es die Anspruchsgegner, die sich der Durchsetzung der Ansprüche entziehen wollen, indem sie die Rechtmäßigkeit des Rechtsberatungsmodells gerichtlich angreifen.

Hierbei geht es in der Regel um zwei Problemkonstellationen:

  • Weil ein Rechtsdienstleister im Rahmen eines Verfahrens auch mit einem Prozessfinanzierer kooperiert, wird von einigen Gerichte pauschal und ohne schlüssige Begründung ein Interessenkonflikt nach § 4 RDG angenommen.
  • Scheinbar in Unkenntnis höchstrichterlicher Rechtsprechung insbesondere des Bundesverfassungsgerichts, verengen einige Gerichte die Rechtsberatungskompetenzen der Rechtsdienstleister auf ein Minimum.

Das hat für Rechtsdienstleister, noch mehr aber für Rechtsuchende fatale Folgen.

Weil das RDG in einigen Regelungen nicht hinreichend klar ist, entsteht Rechtsunsicherheit. Auch eine Reihe höchstrichterlicher Entscheidungen zu den problematisierten Konstellationen hat bedauerlicherweise nicht zu einer einheitlicheren, an der höchstrichterlichen Rechtsprechung orientierten Entscheidungspraxis der Gerichte geführt.

Die Geschäftsmodelle vieler Rechtsdienstleister stehen daher auf tönernen Füßen. Die Rechtsunsicherheit und die nachhaltig in Frage gestellte Rechtmäßigkeit der Geschäftsmodelle machen unternehmerisches Handeln in all seinen Facetten schwierig. Hier spielt insbesondere auch die stark fragmentierte, nicht zentralisierte Aufsicht über den Rechtsdienstleistungsmarkt eine Rolle. Unterschiedliche Aufsichten beurteilen die Zulässigkeit identischer Rechtsdienstleistungsangebote uneinheitlich. Das führt zu Problemen. Nicht erst in der Praxis, sondern auch bereits bei der Frage der initialen Zulassung.

Von der derzeit unklaren Rechtslage bzw. dem fehlenden Durchschlag der höchstrichterlichen Rechtsprechung profitieren zurzeit in erster Linie die Anspruchsgegner – häufig, wenn auch nicht ausschließlich, zulasten der Verbraucher.

Noch in dieser Legislaturperiode ist es am Gesetzgeber, hier Abhilfe zu schaffen.

1) Stärkung des Vertrauens in die erteilte Registrierung nach § 10 Abs. 1 Nr. 1 RDG

Wie dargestellt, leiden Rechtsdienstleister und Rechtsuchende derzeit unter der fehlenden Rechtssicherheit, die aktuell mit der Registrierung als Inkassodienstleister für Legal-Tech-Unternehmen einhergeht.

Es ist begrüßenswert, dass der Regierungsentwurf sich darum bemüht, das Vertrauen in den Bestand und die Belastbarkeit der Registrierung zum Inkassodienstleister zu stärken. Auf eine erfolgte Registrierung muss für den Rechtsuchenden und die Unternehmen selbst Verlass sein.

Dieses Bemühen erschöpft sich im Wesentlichen im § 13 Abs. 2 und Abs. 5 RDG-E. Danach ist vorgesehen, dass Unternehmen, die eine Registrierung als Inkassodienstleister anstreben, künftig alle „Nebenleistungen“ der Aufsicht anzeigen müssen. Diese Verpflichtung trifft auch bereits registrierte Unternehmen, die ihr Leistungsportfolio erweitern bzw. zuvor – bei ihrer Registrierung – nicht alle nach dem Gesetzentwurf vorgegebenen Mitteilungen abgegeben haben. Allgemein sollen mit Inkrafttreten alle Registrierungsinhaber den gesamten Umfang ihrer Leistungen und Nebenleistungen melden.

Diese Regelung droht die Aufsichten zu überlasten und stellt für die betroffenen Unternehmen potenziell ein bürokratisches Ungeheuer dar. Es ist überdies nicht ersichtlich, dass sie – insbesondere innerhalb der aktuellen Aufsichtsstruktur – die gewünschte Wirkung erzielt.

a) Zentralisierung der Aufsicht über Rechtsdienstleister

Ziel des Gesetzgebers ist es richtigerweise, mit der Regelung eine hohe Übereinstimmung in der einerseits verwaltungsrechtlichen und andererseits zivilrechtlichen Beurteilung der Zulässigkeit von Rechtsdienstleistungsmodellen zu erreichen.

Dies gelingt am ehesten mit einer einheitlichen und an der höchstrichterlichen Rechtsprechung orientierten Entscheidungspraxis der verwaltungsrechtlich agierenden Aufsichtsbehörden. Unerlässlich hierfür ist

  • eine Zentralisierung der Aufsicht beim Bundesamt für Justiz,
  • eine dann auch mit hinreichenden Mitteln ausgestattete Aufsichtsbehörde.

b) Prüfung der Geschäftsmodelle von Inkassodienstleistern nach §§ 13 und 13f RDG-E (in Artikel 3 des RegE), Übergangsvorschrift zu § 13 Absatz 2 RDG in § 7 RDGEG-E (in Artikel 5 des RegE)

Die Angebote im Rechtsdienstleistungsmarkt unterliegen naturgemäß ständigem Wandel. Die aktuelle Regelung schafft hier mehr Rechtsunsicherheit auf Seiten sowohl der Registrierungsbehörden als auch der Rechtsdienstleister. Die bürokratischen Aufwände und Kosten für Unternehmen und Behörden werden groß sein.

Zweckmäßig und erforderlich wäre eine Regelung, die sicherstellt, dass lediglich wesentliche Änderungen des Geschäftsmodells angezeigt werden müssen.

Alternativ wäre es denkbar, dass Änderungen der Geschäftsmodelle lediglich auf Nachfrage der Aufsichtsbehörde angezeigt werden müssen, wobei zwischen Anfragen der Aufsichtsbehörde eine angemessene Karenzzeit liegen sollte.

2) Keine weitere Einschränkung der Kompetenzen der Rechtsdienstleister (§ 2 RDG)

Insbesondere von den berufsständischen Vertretungen der Anwaltschaft wird gefordert, die Kompetenzen der Rechtsdienstleister zur außergerichtlichen Rechtsberatung drastisch einzuschränken.

Diese Forderung ist inkohärent mit Blick auf

und würde erfolgversprechenden und rechts- wie verbraucherpolitisch förderungswürdigen Geschäftsmodellen die Grundlage rauben.

Dass mit der Registrierung als Rechtsdienstleister nach dem Erlangen der gesetzlich vorgeschriebenen theoretischen und praktischen Sachkunde die umfassende Befugnis zur außergerichtlichen Rechtsberatung und Rechtsdienstleitung bei der Geltendmachung von Ansprüchen einhergeht, ist abschließend durch Gerichte bestätigt und entspricht der gesetzgeberischen Tradition der vergangenen Jahrzehnte. In dem in dieser Legislaturperiode vom Bundestag verabschiedeten Gesetz zur Verbesserung des Verbraucherschutzes im Inkassorecht schlägt sich dies in den neuen Erstattungsregelungen für Inkassokosten explizit nieder.

Einschränkungen der Kompetenzen zur Rechtsberatung hätten für (angehende) Rechtsdienstleister eine berufsregelnde Tendenz und bedürften einer guten Begründung, die sich am Zweck des Rechtsdienstleistungsgesetzes orientiert, Rechtsuchende, Rechtsverkehr und Rechtsordnung zu schützen.

Weder Bundesverfassungsgericht noch Bundesgerichtshof konnten bislang eine Gefährdung eines der Schutzgüter durch das Wirken der Rechtsdienstleister feststellen. Auch die verschwindend wenigen Beschwerdefälle, die von den Rechtsdienstleistungsaufsichten bearbeitetet werden, können keine gesetzgeberische Handlungsnotwendigkeit restriktiver Natur erkennen lassen.

Andererseits würde eine Einschränkung der Beratungskompetenzen viele funktionierende und erfolgreiche Rechtsdienstleistungsangebote zum Erliegen bringen. Der Rechtsuchende würde alleingelassen, der Zugang zum Recht erneut massiv erschwert. Überregulierung in Form von unbegründeten Einschränkungen der Kompetenzen der Rechtsdienstleister wären nicht nur verfassungsrechtlich kritisch (Konflikt mit der Berufsfreiheit), sondern schadeten auch den Rechtsuchenden und schränkten die Wirkung der Rechtsordnung durch eine massive Behinderung des Zugangs zum Recht ein.

Insofern sollte der Gesetzgeber davon absehen, anlasslos die Kompetenzen der Rechtsdienstleister (weiter) zu verengen.

3) Kein Interessenkonflikt bei umfassender Information der Verbraucher (§§ 4, 13f Absatz 1 und 20 RDG-E in Artikel 3 RegE)

Die Anpassung des § 4 RDG-E wird ausdrücklich begrüßt, ebenso die Informationspflicht des § 13f RDG-E. Eine Erweiterung des § 20 RDG halten wir ergänzend aber für sinnvoll.

Mit überzeugenden Argumenten hat sich die Bundesregierung im ersten Durchgang des Gesetzes im Bundesrat gegen Vorschläge gestellt, die Möglichkeit der Rechtsdienstleister einzuschränken, Erfolgshonorare zu vereinbaren und auf Prozessfinanzierungen zurückzugreifen. Auch der Bundestag hat sich im Zuge der Beratungen zum Gesetz zur Verbesserung des Verbraucherschutzes im Inkassorecht mit ebenso guten Argumenten gegen vergleichbare Vorstöße einiger Interessenverbände gestellt. Erfolgshonorare und Prozessfinanzierung sind Grundlage für die Geschäftsmodelle der Rechtsdienstleister.

Nur mit diesen Möglichkeiten kann es gelingen, Rechtsuchenden weitestgehend risikofreien Zugang zum Recht zu gewähren. Die Nachteile, beispielsweise dass der Rechtsuchende im Erfolgsfall nur einen – wenn auch überwiegenden – Teil des Anspruchs realisiert, weil auch der Rechtsdienstleister davon entlohnt wird, sind gesellschaftspolitisch gegenüber den Vorteilen zu vernachlässigen. Ohne dass die in Frage stehenden Rechtsdienstleistungsangebote, die ein Erfolgshonorar bzw. eine Prozessfinanzierung vorsehen, in Anspruch genommen werden können, sehen Rechtssuchende erfahrungsgemäß gänzlich von der Rechtsverfolgung ab („rationales Desinteresse“). Sie stünden dann faktisch „rechtlos“ da.

Durch die neuen im Gesetzentwurf vorgesehenen Beratungs- und Informationspflichten der Rechtsdienstleister gegenüber Verbrauchern ist auch sichergestellt, dass der rechtsuchende Verbraucher umfassend über die Vor- und Nachteile der angebotenen Rechtsdienstleistungen aufgeklärt wird.

Dies adressiert den von Legal Tech-Unternehmen herbeigeführten und oft von Interessenverbänden problematisierten Paradigmenwechsel bei der Inkassodienstleistung, der den Fokus verstärkt auf Auftraggeber lenkt, die Verbraucher sind. Die neuen Informationspflichten sind werden dem Umstand gerecht, dass Verbraucher stärker schutz- und informationsbedürftig sind als Unternehmen.

Insoweit die Information des rechtsuchenden Verbrauchers ordnungsgemäß erfolgt, muss dann konsequenterweise ein Interessenkonflikt (§ 4 RDG), etwa wegen Vereinbarung eines Erfolgshonorars, Mitwirkung eines Prozessfinanzierers oder der Regelung zum Abschluss von Vergleichen, ausscheiden. Denn genau diese Elemente der Inkassodienstleistung gelangen sowohl der RDG-Aufsicht als auch dem Auftraggeber der Leistung im Zuge der Mandatsanbahnung und der verwaltungsrechtlichen Prüfung („Registrierung”) des Geschäftsmodells zur Kenntnis.

Der Vorwurf von Interessenkollisionen hat in den vergangenen zwei Jahren zu massiver Rechtsunsicherheit geführt, weil deutsche Zivilgerichte dazu übergegangen sind, sehr unterschiedliche Überlegungen zum Geschäftsmodell von Prozessvehikeln etwa hinsichtlich LKW-Kartellen oder des „Diesel-Skandals“ als Interessenkonflikt zu interpretieren. Damit wurde eine Schutzvorschrift für Verbraucher und Rechtsuchende in eine Schutzvorschrift für Kartellanten und andere Rechtsverletzer umgewandelt. Dies kann nicht beabsichtigt sein. Hier brauchen alle Beteiligten Rechtssicherheit.

Damit allerdings auch weitergehend sichergestellt werden kann, dass Verbraucher auch entsprechend der Vorgaben des § 13f RDG-E vor allem über Erfolgshonorare und die Mitwirkung von Prozessfinanzierern informiert werden, sollte der § 20 Abs. 2 RDG ergänzt werden, so dass es eine mit Geldbuße bewährte Ordnungswidrigkeit darstellt, wenn der Rechtsdienstleister im konkreten Fall eine Information nach § 13f Abs. 1 und Abs. 2 RDG nicht, nicht richtig, nicht vollständig oder nicht rechtzeitig übermittelt.

4) Rechtsfolgen von RDG-Verstößen der Legal-Tech-Unternehmen (§§ 2 bis 4 RDG)

RDG-Verstöße der Legal-Tech-Anbieter (z.B. Interessenkonflikte oder Überschreitung der Befugnis zur Rechtsberatung) dürfen nicht auf die Forderungen der Geschädigten „durchschlagen“. Sonst wird dem Anliegen des Verbraucherschutzes nicht entsprochen. Hier liegt das größte Problem in den aktuellen Auseinandersetzungen mit großen Fallzahlen:

Die Gerichte lassen nicht nur die Geschäfts- und Vergütungsmodelle der Legal-Tech-Unternehmen häufig zu Unrecht scheitern („nicht inkassotypisch“), sondern damit auch die zugrunde liegenden Forderungen der Mandanten. Das bürdet vor allem Verbrauchern, die rechtliche Hilfe in Anspruch nehmen, das volle Risiko des Geschäftsmodells auf. Ihre Forderungen können zum Beispiel verjähren, wenn ein Zivilgericht im Instanzenzug zur Einschätzung gelangt, das Geschäftsmodell des Inkassodienstleisters sei nicht zulässig. Dieser Ungewissheit kann aber mit dem Reformpaket entgegengewirkt werden, indem ein verwaltungsrechtliches Instrumentarium eingeführt wird, mit dem Angebote von Rechtsdienstleistungen geordnet werden. Insofern sollte das angestoßene Gesetzgebungsvorhaben alsbald mit der Verabschiedung des Gesetzes seinen Abschluss finden und damit zu einem großen Teil weiterer Rechtssicherheit im Rechtsdienstleistungsmarkt beitragen.

5) Zum Vorwurf fehlender „Core Values“: Es braucht perspektivisch ein Berufsrecht der Rechts- und Inkassodienstleister

Fast mantraartig wird behauptet, Rechts- und Inkassodienstleister stellten für Rechtsuchende, Rechtsverkehr und Rechtsordnung wegen fehlender gesetzlich abgesicherter „Core Values“ eine Gefahr dar.

Unabhängig davon, dass für diese behauptete Gefahr jeglicher Evidenzbasis fehlt und Rechts- wie Inkassodienstleister tatsächlich – wie dargestellt – den Rechtsuchenden sogar schützen, indem sie Zugang zum Recht bieten, den Rechtsverkehr so fördern und der Rechtsordnung auch in für viele Anwälte unattraktiven Fällen zur Anwendung und Wirkung verhelfen, entbehrt dieser Vorwurf nicht einer gewissen Ironie.

Dass es für Rechts- und Inkassodienstleister „Core Values“ in Form eines gesetzlich verankerten Berufsrechts bedarf, welches etwa Fortbildungsverpflichtungen analog der Fachanwälte oder einer Verschwiegenheitsplicht vorsieht, ist eine der vielen seit langem ungehörten Forderungen des BDIU, aber auch weiterer Interessenvertreter der Rechtsdienstleister. Der BDIU hat darauf mit seinem Code of Conduct für das Forderungsmanagement reagiert, der sowohl die Pflicht zu regelmäßigen Fortbildungen als auch Verhaltensregeln für die Inkassobranche definiert. Gesetzgeberische Vorstöße hingegen scheiterten in diesen Bereichen bisher auch am vehementen Widerstand der berufsständischen Vertretungen der Anwaltschaft, die durch ein solches Berufsrecht Konkurrenz durch qualifizierte Rechtsberater unterhalb der Schwelle der Anwaltschaft fürchten.

Dass die Folge des Fehlens berufsrechtlicher Regelungen für Rechtsdienstleister nun eine drastische Einschränkung der Kompetenzen der Rechtsdienstleister sein soll, was für viele faktisch einer Einschränkung der Berufsfreiheit gleichkäme, offenbart, dass es sich bei dieser Kritik und den Schlussfolgerungen vor allem um den Versuch handelt, den Rechtsdienstleistungsmarkt im Sinne der Anwaltschaft zu monopolisieren – zulasten des Rechtsuchenden, des Rechtsverkehrs und der Rechtsordnung sowie in Verkennung der Verfassungsrechtsprechung.

Der Gesetzgeber sollte die angebotenen „einfachen Lösungen“ zurückweisen und zeitnah eine dringend notwendige Debatte über ein Berufsrecht der Rechtsdienstleister einleiten.