Stellungnahmen

Stellungnahme zum Gesetzentwurf zur weiteren Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens

Der vorliegende Gesetzentwurf dient der Umsetzung der Richtlinie (EU) 2019/1023 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Juni 2019 über präventive Restrukturierungsrahmen, über Entschuldung und über Tätigkeitsverbote sowie über Maßnahmen zur Steigerung der Effizienz von Restrukturierungs-, Insolvenz- und Entschuldungsverfahren und zur Änderung der Richtlinie (EU) 2017/1132 (Richtlinie über Restrukturierung und Insolvenz) in deutsches Recht. Danach müssen Mitgliedstaaten sicherstellen, dass insolvente Unternehmer Zugang zu mindestens einem Verfahren haben, das zu einer vollen Entschuldung gemäß dieser Richtlinie führen kann.

Im Referentenentwurf (RefE) ist vorgesehen, die Vorgaben der Richtlinie auch auf den Bereich der Verbraucherinsolvenzen auszuweiten. Dafür sprechen neben rechtlichen Argumenten sicherlich auch verbraucherpolitische Interessenlagen. Letztere sind aber allenfalls am Rande unter den Zweck und die Ziele der EURichtlinie zu fassen, die im Kern eine zweite Chance für insolvenzbedrohte Wirtschaftsunternehmen vorsehen. Die im Referentenentwurf mit der Verkürzung der Entschuldungsfrist verfolgten verbraucherpolitischen Interessen stehen in Konflikt zu den Interessen der Wirtschaft und werden für Gläubiger mit erheblichen finanziellen Verlusten einhergehen. Auch konterkariert der Entwurf die gesetzgeberischen Ziele der letzten Insolvenzrechtsreform, die im Kern eine dringend gebotene Stärkung der Gläubigerrechte beinhaltete.

Hinzu kommt, dass die Verkürzung der Wohlverhaltensperiode auf drei Jahre im RefE nicht für sich allein steht. Parallel dazu ist vorgesehen, Gläubigern wichtige Instrumente zu nehmen, mit denen sie sich und damit den Wirtschaftsverkehr bislang effektiv und nachhaltig vor unlauterem Wirtschaftsgebaren, insbesondere vor schlechter Zahlungsmoral schützen können.

Schon heute tritt mit Erteilung der Restschuldbefreiung ein fast kompletter Forderungsverlust auf Seiten der Gläubiger ein. Das zeigen Erhebungen des BDIU. Bei einer Stichprobe von ca. 2.600 im Insolvenzverfahren angemeldeten Forderungen (kumulierte Gesamtforderungssumme: 28 Millionen Euro)2 gehen Gläubigern nach Erteilung der Restschuldbefreiung (nach sechs Jahren) über 26 Millionen Euro verloren. In der ersten Hälfte der regelmäßigen Wohlverhaltensphase von sechs Jahren konnten weniger als 400.000 € zurückgeführt werden, in der zweiten Hälfte immerhin noch fast 900.000 €.

Mit der nunmehr auch bei Verbraucherinsolvenzen vorgesehenen Verkürzung der Entschuldungsfrist – also der Wohlverhaltensphase – auf drei Jahre erhielten die Gläubiger künftig noch nicht einmal ein Drittel des unter dem geltenden Recht möglichen Betrags.

Daher wird mit der Erstreckung der Verkürzung der Wohlverhaltensphase auch auf Privatschuldner ein beachtlicher volkswirtschaftlicher Schaden einhergehen. Gläubigerunternehmen werden versuchen müssen, die Einbußen durch die Forderungsverluste, die aufgrund der wesentlich früher erteilten Restschuldbefreiung entstehen werden, auf andere Weise auszugleichen: Dies könnte durch Preisanhebungen gelingen. Preissteigerungen müssen letztendlich aber alle Verbraucher tragen. Die Gefahr für Verbraucher, dadurch zum ersten oder zum wiederholten Mal in Zahlungsschwierigkeiten zu geraten, und für Gläubiger, weitere Zahlungsausfälle hinnehmen zu müssen, wird durch die Verkürzung der Entschuldungsfrist erhöht.

Keine hinreichende Würdigung erfährt aus unserer Sicht der Erwägungsgrund 78 der EU-Restrukturierungsrichtlinie, der klarstellt, dass

„eine volle Entschuldung oder ein Ende der Tätigkeitsverbote nach einer Frist von höchstens drei Jahren (…) nicht in jedem Fall angemessen (ist); daher könnten Ausnahmen von dieser Regel festgelegt werden müssen, die mit im nationalen Recht festgelegten Gründen ausreichend gerechtfertigt sind.“

Der deutsche Gesetzgeber hätte also durchaus die Möglichkeit, es bei der nach derzeitigem Recht vorgesehenen Abstufung bei der Restschuldbefreiung nach § 300 Absatz 1 InsO zu belassen – zumindest für die Fälle, in denen Verbraucher die Restschuldbefreiung beantragen. Will er diesen Weg nicht gehen, bestünde ein möglicher Kompromiss darin, Verbrauchern die verkürzte Entschuldungsfrist nur in einer ersten Insolvenz zu gewähren und bei durchaus vorkommenden Folgeinsolvenzen bei der sechsjährigen Wohlverhaltensphase zu bleiben.

Grundsätzlich raten wir dringend davon ab, Gläubiger noch darüber hinaus weiter zu belasten, indem weitere Instrumente des Gläubigerschutzes außer Kraft gesetzt werden, die letztlich den Wirtschaftsverkehr vor Zahlungsausfällen und schlechter Zahlungsmoral schützen.

Es ist daher geboten,

  • das Gesetz auf keinen Fall mit Rückwirkung in Kraft treten zu lassen,
  • die Regelungen zur Versagung der Restschuldbefreiung zu schärfen,
  • stärkere Sicherungsmaßnahmen zu Gunsten der Gläubiger einzuführen, um einen „Drehtüreffekt“ zu verhindern,
  • den außergerichtlichen Einigungsversuch konsequent zu stärken und
  • die Vertretungsrechte der Inkassodienstleister im (Verbraucher-)Insolvenzverfahren klarzustellen, um Gläubigern die Rechts- und Anspruchsdurchsetzung zu erleichtern.