Die Bundesregierung hat am 11. Mai 2018 den Entwurf eines Gesetzes zur Einführung einer zivilprozessualen Musterfeststellungsklage (MFK) vorgelegt.
Im Folgenden führen wir die aus unserer Sicht wichtigsten Aspekte auf, die im weiteren Gesetzgebungsverfahren berücksichtigt werden sollten:
Die Klagebefugnis sollte nicht unmittelbar für private Vereine gelten:
Die vorgesehenen Einschränkungen der Klagebefugnis in § 606 ZPO-GE sind nicht ausreichend, um Klagen aus rein finanziellen Eigeninteressen auszuschließen. Wir schließen uns darum nochmals dem von vielen Wirtschaftsvertretern vorgetragenen Vorschlag an, die Klagebefugnis in das Ermessen einer öffentlichrechtlichen Institution zu stellen. Eine Ombudsstelle, angesiedelt beispielsweise beim Bundesamt der Justiz, würde sachliche und neutrale Ermittlungen garantieren und Klagen aus rein finanziellen Interessen glaubhaft ausschließen.
Höhere Hürden für die Zulässigkeit, Bekanntmachung der Klage sowie für die Anmeldung von Ansprüchen
Sollte der Gesetzgeber weiterhin von der Einrichtung einer Ombudsstelle absehen, sollten auf jeden Fall höhere Hürden, sowohl für die Zulässigkeit der Musterfeststellungsklage, als auch für die Bekanntmachung der Klage im Klageregister, sowie für die Anmeldung von Ansprüchen oder Rechtsverhältnissen gesetzt werden.
a) Zulässigkeit der Klage
Die Anzahl von antragstellenden Verbrauchern, die ihre Ansprüche geltend machen wollen, ist deutlich zu niedrig bemessen. Ebenso die Anzahl von Anmeldern, die sich anschließend durch hürdenlose Eintragung in das Klageregister anschließen müssen. Gegenstand des Verfahrens werden regelmäßig auch Massengeschäfte sein.
So werden an die Mitglieder des BDIU jährlich über 22 Millionen Forderungen zur Einziehung übergeben. Hier kann bei nur 10 Betroffenen bei der Zulässigkeit der Klage nicht von einer Breitenwirkung ausgegangen werden. Den qualifizierten Einrichtungen würde es hier sehr leicht fallen, 10 Anmeldungen von Verbrauchern zu generieren. Erschwerend kommt noch hinzu, dass die Zulässigkeit der Musterfeststellungsklage nicht berührt wird, wenn die Zahl der Betroffenen nach Ablauf von zwei Monaten noch weiter absinkt. Wir schlagen daher vor, die Anzahl der Verbraucher, die als Betroffene für die Zulässigkeit der Musterfeststellungklage benötigt werden von 10 auf 50 zu erhöhen (§ 606 Abs. 3 Nr. 2 ZPO-GE).
Wir schlagen weiter vor, dass das Verfahren erst dann durchgeführt wird, wenn sich innerhalb von weiteren zwei Monaten mindestens 100 weitere Verbraucher anmelden (§ 606 Abs. 3 Nr. 3 ZPO-GE). So wird sichergestellt, dass mit der Musterfeststellungsklage eine „Vielzahl gleichartig geschädigter Verbraucherinnen und Verbraucher“ abgebildet wird.
b) Bekanntmachung der Klage und Anmeldung von Ansprüchen
Um missbräuchlichen Klagen entgegenzuwirken, betrachten wir es außerdem als unumgänglich, dass das zuständige Gericht, vor Veröffentlichung im Klageregister, neben der Prüfung der Zulässigkeit auch eine Prüfung auf offensichtliche Unbegründetheit der Klage vornimmt. Dass die Klage ohne jegliche Prüfung im Klageregister öffentlich bekannt gemacht (§ 607 Abs. 2 ZPO-GE) und in das Klageregister (§ 608 Abs. 2 Satz 2 ZPOGE) eingetragen werden soll, verstößt gegen den allgemeinen Grundsatz der Unschuldsvermutung, der unserem Rechtssystem innewohnt. Parteien werden durch Veröffentlichung im Klageregister an den Pranger gestellt, ohne dass geprüft worden wäre, ob die Musterfeststellungsklage überhaupt eine Aussicht auf Erfolg hat.
Die bislang vorgesehene, beinahe hürdenlose Eröffnung des Klageregisters steht in keinem Verhältnis zu den für die Beklagten drohenden Reputationsschäden. So steht zu befürchten, dass Musterverfahren missbraucht werden, um rein wirtschaftliche Interessen zu befriedigen, da bereits die Einleitung eines Musterfeststellungsverfahrens für Unternehmen in erheblichem Maße reputationsschädigend und damit auch geschäftsgefährdend wirkt.
Diese Prangerwirkung und der daraus resultierende Reputationsschaden birgt für die beklagten Unternehmen ein erhebliches finanzielles Risiko. So werden beklagte Unternehmen dazu gedrängt, einem drohenden Eintrag in das Klageregister dadurch zu umgehen, dass sie hohe Vergleichszahlungen akzeptieren, nur weil mit der Erhebung einer Musterfeststellungsklage „gedroht“ wird. Ob die Vorwürfe überhaupt haltbar sind, ist dann völlig nebensächlich.