Stellungnahmen

Stellungnahme zum Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung des Verbraucherschutzes im Inkassorecht

A || VORBEMERKUNG

Der BDIU und seine Mitglieder danken dem BMJV für die Gelegenheit zur Stellungnahme und insbesondere auch für das angemessen ausgestaltete Verfahren im Rahmen der Verbändebeteiligung. Dass die umfassend von dem Gesetzgebungsvorhaben betroffenen Akteure die Gelegenheit erhalten, sich zu den vorgesehenen Gesetzesänderungen und Gesetzesanpassungen zu äußern, stellt sicher, dass die Ziele des Gesetzgebers erreicht und negative bzw. ungewollte Effekte vermieden werden können.

Wie im Referentenentwurf richtig dargestellt, ist ein funktionierendes, durch Anwaltschaft und Inkassounternehmen im Rahmen der Rechtsdienstleistung erbrachtes Inkasso wesentlicher Teil des Wirtschaftssystems. Deshalb ist es richtig, dass das gesetzgeberische Vorhaben nicht isoliert allein aus verbraucherpolitischer Perspektive betrachtet wird.

Ausdrücklich unterstützen wir, dass der Gesetzesentwurf die verfassungsrechtlich gebotene Gleichstellung zwischen Anwaltschaft und Rechtsdienstleistern im Forderungseinzug vertieft und sich damit im konsequenten Einklang mit der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts im Besonderen und der Instanzgerichte im Allgemeinen befindet.

Die Verbesserung des Verbraucherschutzes im Inkasso ist nicht nur auf der exekutiven und legislativen Ebene ein Thema. Auch der BDIU und seine Mitglieder werden mit dem Code of Conduct, dessen aktueller Stand dem BMJV bekannt ist, für Regelungen sorgen, die den Verbraucherinteressen dienen.

Mit dem Code of Conduct haben die BDIU-Mitglieder bereits deutlich signalisiert, dass sie dazu bereit sind, sich auch bei kosten- und gebührenrechtlichen Aspekten einer Selbstregulierung zu unterwerfen.

Gleichwohl akzeptieren wir natürlich, dass der Gesetzgeber es als eigene Aufgabe betrachtet, hier klare Regelungen zu treffen.

Bedauerlicherweise ist es dem Gesetzgeber mit dem vorliegenden Entwurf aber noch nicht gelungen, das Spannungsverhältnis, in dem sich das Gesetzgebungsvorhaben bewegt, hinreichend zu berücksichtigen, geschweige denn aufzulösen.

Insbesondere beim Blick auf die kostenrechtlichen Anpassungen krankt der Entwurf in seiner augenblicklichen Form an einer Überbetonung des Schuldnerschutzes, übersieht dabei wirtschaftspolitische Aspekte und rechtspolitische bzw. verfassungsrechtliche Notwendigkeiten und schadet damit letztlich der Zielgruppe, deren Schutz er verbessern will: den Verbrauchern insgesamt.

Weder sind die dem gesetzgeberischen Tätigwerden bereits aus verfassungsrechtlichen Gründen zwingend zugrunde zu legenden Fakten hinreichend ermittelt worden.

Noch findet eine angemessene Evaluation der Folgen der angestrebten Neuregelungen und Anpassungen auf die Anwaltschaft, die Rechtsdienstleister im Forderungseinzug und die von ihnen vertretenen Mandanten in ausreichender Weise statt.

Die vorgesehene faktische Halbierung der erstattungsfähigen Rechtsverfolgungskosten würde sich dramatisch auf sämtliche Inkassodienstleister auswirken. Der Branche drohen durch die Regulierungen Umsatzeinbußen von über einem Drittel. Viele Unternehmen, insbesondere kleine und mittelständische Inkassodienstleister, die den Großteil des Inkassomarktes ausmachen, werden die Hauptlast dieser Umsatzeinbußen tragen. Damit kommen die vorgesehenen Regelungen für viele Inkassodienstleister einem mittelbaren Berufsverbot gleich.

Ein derart erheblicher Eingriff in die Sphäre der Inkassodienstleister und Teile der Anwaltschaft erfordert eine überzeugende Begründung, auf die aufbauend sodann angemessene und erforderliche Regelungen erarbeitet werden können.

Das ist im Referentenentwurf in vorliegender Form leider nicht im Geringsten zu erkennen.

Bereits die Grundprämisse des Referentenentwurfs, auf die die geplanten kostenrechtlichen Anpassungen aufbauen, ist nicht haltbar. Die kategorische Behauptung, Inkassokosten seien zu hoch, fußt einzig und allein auf Behauptungen der Verbraucherzentralen und Schuldnerberatungen sowie einem mittlerweile durch Wissenschaft, Wirtschaft und Politik als fehlerhaft und empirisch falsch erkannten Abschlussbericht des Instituts für Finanzdienstleistungen. An anderer, ebenfalls zentraler Stelle kommt der Referentenentwurf über bloße Behauptungen, die überwiegend ebenfalls auf Thesen von Verbrauchervertretern beruhen, nicht hinaus.

Anders als im Referentenentwurf behauptet ist es natürlich so, dass der Schuldner ausschließlich mit Inkassokosten belastet wird, die dem Auftraggeber bzw. Gläubiger in Form von Rechtsverfolgungskosten tatsächlich angefallen sind. Wer anderes suggeriert und damit eine Branche unter Generalverdacht stellt, steht in der Pflicht, dies auch zu belegen.

Nicht der Gesetzgeber ist zuerst berufen, vereinzeltes Fehlverhalten im Bereich Inkasso zu verfolgen, sondern die Aufsichtsbehörden und ggfs. die Strafverfolgungsbehörden.

Das völlige Versagen, die Aufsicht über Inkassounternehmen zu zentralisieren und zu professionalisieren, ignoriert einmal mehr das übereinstimmende gemeinsame Verlangen der Branchenverbände, von Verbraucherschützern und Schuldnerberatern. Neben die unzureichende Darlegung der Erforderlichkeit und Angemessenheit der gesetzlichen Anpassungen tritt somit, dass der Gesetzgeber es dauerhaft versäumt hat, über eine handlungsfähige Aufsicht dafür zu sorgen, dass bereits bestehende Regeln auch durchgesetzt werden.

Hinsichtlich des Regulierungsgegenstands mangelt es dem Entwurf ebenfalls an hinreichender Differenzierung. Die Gleichstellung von Verbraucher und Schuldner mag für einige Akteure politisch naheliegend sein, hält aber weder einer rechtlichen noch einer wirtschaftlichen Betrachtung Stand.

Schuldner und Verbraucher sind keine Synonyme.

Zwar ist jede Privatperson als Schuldner auch Verbraucher, gleichzeitig sind Schuldner aber nur eine kleine Teilgruppe innerhalb der Gesamtgruppe der Verbraucher. Das Gesetz soll aber den Verbraucherschutzinsgesamt verbessern, nicht nur den Schuldnerschutz. An diesem selbst gesteckten Ziel muss es sich daher messen lassen.

Berücksichtigt man weiter, dass der weit überwiegende Teil der Schuldner, die mit Inkasso in Berührung kommen, oft über Monate hin in Verzug ist und sich jeglicher Kommunikation mit dem Gläubiger trotz diverser Angebote entzogen hat, fällt es schwer, hier die für die erheblichen, auch verfassungsrechtlich relevanten Auswirkungen des Gesetzes notwendige Schutzwürdigkeit zu erkennen.

Im Kosten- und Gebührenrecht bleibt festzuhalten, dass der Referentenentwurf mit den aktuell vorgesehenen, völlig undifferenzierten wirkenden gebührenrechtlichen Anpassungen völlig unangemessen ist.

Es gelingt ihm nicht, auch nur einen tatsächlichen verbraucherpolitischen Missstand aufzuzeigen, der die vorgesehenen Regelungen verhältnismäßig erscheinen ließe. Im Gegenteil, einen Großteil der öffentlichen Kritik an der Inkassobranche entkräftet der Referentenentwurf sogar selbst durchaus überzeugend mit rechtstatsächlichen Argumenten.

Wir bitten den Gesetzgeber daher insbesondere im Bereich des Kostenrechts um ein faktenbasiertes Ermitteln der Ausgangslage, eine differenziertere Betrachtung der Lösungswege mit deren möglichen Auswirkungen und, darauf aufbauend, um Regelungsvorschläge, die tatsächlich erforderlich und geeignet sind, den Verbraucherschutz im Inkasso zu verbessern.

Sehr gerne wirken wir auch künftig an diesen Lösungsansätzen konstruktiv mit.

B || DIE ANGESTREBTEN ÄNDERUNGEN UND UNSERE BEWERTUNG IM ÜBERBLICK

a || Inkassokosten

Regelungsansatz des Referentenentwurfs: 

  • In Ergänzung der in Nr. 2300 VV RVG bereits bestimmten allgemeinen Schwellengebühr soll eine besondere Schwellengebühr in Höhe einer 0,7er-Gebühr für die Einziehung unbestrittener Forderungen eingeführt werden.
  • Bei bestrittenen Forderungen soll weiterhin der bisherige Gebührensatzrahmen der Nr. 2300 VV RVG von 0,5 bis 2,5 gelten.

Kurzbewertung:

Der BDIU begrüßt, dass der Gesetzgeber in konsequenter Weise an die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts seit 2002 und 2004 anknüpft und nun auch gesetzlich klarstellt, dass Inkassodienstleister als Rechtsdienstleister genau wie Rechtsanwälte nicht nur rechtsberatend tätig sein dürfen, sondern auch von vornherein oder im laufenden Inkassoverfahren bestrittene Forderungen außergerichtlich bearbeiten dürfen. Ohnehin entsprach das seit 2002 der herrschenden Meinung, die nun endlich auch in formelles Recht überführt werden soll.

Allerdings stellen die angestrebten Anpassungen im Bereich der Geschäftsgebühr für die Inkassodienstleistungen erbringenden Rechtsdienstleister und Rechtsanwälte im Forderungseinzug in wirtschaftlicher Hinsicht einen erheblichen, für zahlreiche Unternehmen existenzgefährdenden Eingriff dar. Die Inkassokosten, die ein Gläubiger für die notwendige und vom Schuldner verursachte Beauftragung eines Rechtsdienstleisters erstattet verlangen kann, werden über alle Forderungshöhen hinweg beinahe halbiert (um 46 Prozent reduziert).

Diese Reduzierung wird sich direkt auf die Vergütung der Inkassodienstleister auswirken, weil nicht angenommen werden kann, dass Gläubiger dazu bereit sein werden, über den schadensersatzrechtlichen Erstattungsanspruchs und die nur vereinzelt üblichen Erfolgsprovisionen hinaus Rechtsverfolgungskosten zu tragen, die auf pflichtwidriges Verhalten ihres Vertragspartners zurückzuführen sind.

Von der Regulierung wären laut Branchenstudie 2019 des BDIU zwischen 80 und 85 Prozent der unter geltendem Recht von Inkassounternehmen bearbeiteten Forderungen und ausnahmslos alle Inkassounternehmen betroffen. Gemeinsam mit der Senkung des Gebührensatzes der Nr. 1000 VV RVG (Einigungsgebühr) drohen der Branche im außergerichtlichen Verfahren Umsatzeinbußen von mindestens einem Drittel. Viele Unternehmen, insbesondere unter den kleinen und mittelständischen Marktteilnehmern, werden mit Gewinneinbußen von mehr als 50 Prozent konfrontiert sein.

Der Fokus des Gesetzes ist bereits dem Titel, aber auch der Begründung nach, die Verbesserung des Verbraucherschutzes. Mit Blick auf diese Zielgruppe lässt der Entwurf aber jegliche sachgerechte und nötige Differenzierung vermissen. In dieser undifferenzierten Form ist die Zweck-Mittel-Relation nicht gewahrt, was im Hinblick auf die dramatischen wirtschaftlichen Folgen des Gesetzesentwurfs ganz erhebliche Zweifel an der Verhältnismäßigkeit begründet.

Unabhängig von ihrem Verhalten würden ausnahmslos alle Schuldner im Vergleich zur geltenden Rechtslage kategorisch zu Lasten der Gläubiger und der von ihnen beauftragten Inkassodienstleister bzw. Rechtsanwälte bessergestellt. Privilegiert würden Schuldner, die (angeblich) lediglich vergessen haben, eine Rechnung zu bezahlen, was in Anbetracht von durchschnittlich zwei bis drei Gläubigermahnungen, die vor Übergabe einer Forderung ins Inkasso vom Gläubiger versandt werden, ohnehin schwerlich vorstellbar ist.

Privilegiert würden ebenso auch obstruktive Schuldner, die sich trotz Ansprache durch einen Inkassodienstleister beharrlich gegen die Zahlung einer berechtigten Forderung wehren, indem sie sich jeglicher Kommunikation mit dem Gläubiger oder mit dessen Rechtsdienstleister entziehen.

Auch deliktische Schuldner, beispielsweise Eingehungsbetrüger und Schwarzfahrer, würden von der drastischen Senkung der Inkassokosten profitieren. Warum diese Schuldnergruppe schutzwürdig sein soll (auch hier besteht die Möglichkeit der Zahlung vor Entstehung der Inkassokosten) ist in keiner Weise nachvollziehbar – weder rechtspolitisch, noch wirtschafts- oder verbraucherpolitisch.

Ferner ist nicht nachvollziehbar, warum der Referentenentwurf, der dem Selbstbild nach ausschließlich dem Verbraucherschutz dient, die Sphäre des Privatschuldners in vielen Bereichen gänzlich verlässt – erneut zu Lasten der Gläubiger und der Wirtschaftlichkeit der Inkassobranche:

Inkassodienstleister bearbeiten in erheblicher, seit Jahren kontinuierlich steigender Zahl auch Forderungen von Unternehmen gegen Unternehmen (b2b). Außerdem kümmern sie sich immer öfter auch um Forderungen von Verbrauchern gegen Unternehmen (c2b). Unternehmensschuldner sind zweifelsohne nicht im Ansatz so schutzwürdig wie Verbraucher. Berücksichtigt man aber die mit der Privilegierung des b2b-Sektors einhergehende Belastung für Gläubiger und Inkassobranche, erscheint die Einbeziehung derartiger Forderungen unangemessen.

Ebenso sollte berücksichtigt werden, dass die Einbeziehung von b2b-Forderungen den politischen Zielen des europäischen Gesetzgebers zuwiderläuft, der mit der Richtlinie zur Bekämpfung des Zahlungsverzugs im Geschäftsverkehr klare und konsequente Regelungen im Bereich des Verzugsschadensrechts, insbesondere mit Blick auf die erstattungsfähigen Rechtsverfolgungskosten, etabliert hat. Selbst unter Hinzurechnung der Auslagenpauschale für Post- und Telekommunikationsdienstleistungen lägen die im Referentenentwurf vorgesehen erstattungsfähigen Inkassokosten bei b2b-Forderungen in der kleinsten Streitwertgruppe unterhalb der 40 Euro, die der europäische Gesetzgeber als pauschalen Erstattungsanspruch anerkennt.

Hier steht der Referentenentwurf in eindeutigem Widerspruch zum Europarecht.

In der aktuellen völlig undifferenzierten Form ist die Regelung daher strikt abzulehnen. Eine kategorische Gebührendeckelung ohne Rücksicht auf Schuldnertypus (b2c, b2b, c2b), Schuldnerverhalten, Forderungshöhe und Forderungsart würde die Wirtschaftlichkeit der Inkassobranche und der im Forderungseinzug tätigen Rechtsanwälte unterminieren und Auftraggeber in erheblichem Maße durch ein Mehr an Zahlungsverzug und höhere Zahlungsausfälle belasten.

Der Inkassobranche drohen unternehmensübergreifend Umsatzverluste von mindestens einem Drittel. Teile der Branche werden aufgrund der Auftraggeberstruktur die Hauptlast dieser Einbußen tragen müssen. Für zahlreiche Unternehmen würde diese Form der Regulierung dem Entzug der Geschäftsgrundlage und damit einem Berufsverbot gleichkommen.

Die wirtschaftlichen Ausfälle werden auch nicht im Ansatz durch die punktuelle Besserstellung im gerichtlichen Mahnverfahren kompensiert. Dass nun der vollumfängliche prozessuale Erstattungsanspruch an die Stelle des materiell-rechtlichen Erstattungsanspruch treten soll, macht die Arbeit einfacher und vollendet die zwingende Gleichstellung mit den Rechtsanwälten ein Stück mehr – finanziell wirkt sich die Besserstellung jedoch nur marginal aus (de lege ferenda ein Plus von 9,00 Euro gegenüber dem Status Quo).

Die Folge der durch die Regelungen des Referentenentwurfs entstehenden wirtschaftlichen Ausfälle werden Preissteigerungen auf Seiten der Gläubiger sein. Zu bezahlen haben diese höheren Preise alle Verbraucher. Zudem sind, wie aufgezeigt werden wird, die vom Referentenentwurf vorgesehenen Regelungen dazu geeignet, auch die Schuldner noch mehr als jetzt mit Kosten zu belasten.

Gemessen an dem im Referentenentwurf formulierten gesetzgeberischen Ziel schießen die gebührenrechtlichen Anpassungen daher jedenfalls in der undifferenzierten Form weit über das Ziel hinaus, sind damit nicht angemessen und dienen letztlich auch nicht dem Verbraucherschutz.

Es ist daher mehr als fraglich, ob der Entwurf, würde er Gesetz, einer verfassungsrechtlichen Prüfung standhielte.

b || Einigungsgebühr

Regelungsansatz:

  • Senkung des Gebührensatzes der Nr. 1000 VV RVG, der beim Abschluss einer Zahlungsvereinbarung verlangt werden kann, von 1,5 auf 0,7.
  • Im Gegenzug soll der Gegenstandswert bei reinen Zahlungsvereinbarungen künftig 50 Prozent statt bisher nur 20 Prozent des Anspruchs betragen (§ 31 b RVG).

Kurzbewertung:

Der BDIU und seine Mitglieder können den gesetzgeberischen Handlungswillen im Bereich der Einigungsgebühr, die im Inkassoprozess vorrangig für die Vermittlung von Zahlungsvereinbarungen zwischen Gläubiger und Schuldner anfällt, teilweise nach nachvollziehen.

Im außergerichtlichen Forderungseinzug dienen die unterschiedlichen in der Praxis vorkommenden Zahlungsvereinbarungen aber dazu, Schuldnern in schwierigen Situationen die Möglichkeit zu geben, die berechtigten Ansprüche des Gläubigers über einen längeren Zeitraum, zu einem späteren Zeitpunkt oder – in besonders schwierigen Fällen – auch nur teilweise zu bedienen. Das ist zunächst der verbraucherpolitische Blickwinkel bzw. die Interessenlage des Schuldners.

Zudem stellen

  • Evaluation von Zahlungswilligkeit und Zahlungsfähigkeit des Schuldners,
  • konkrete Aushandlung der jeweiligen Vereinbarung,
  • Abschluss und Überwachung der Einhaltung insbesondere der Zahlungen
  • sowie mögliche Erinnerungen an die getroffene Vereinbarung

einen erheblichen Aufwand für den Inkassodienstleister dar. Für den Gläubiger begründen sie ein zusätzliches Realisierungs- und Insolvenzrisiko, was sich beim Inkassodienstleister in einem erweiterten Haftungsrisiko niederschlägt.

Der Gläubiger bzw. der ihn vertretende Rechtsdienstleister kommt dem Schuldner mit der Änderung der Zahlungsmodalitäten deutlich entgegen. Dieser muss die Gesamtfälligkeit der Forderung nicht sofort berücksichtigen und erhält mehr Zeit zum Ausgleich, als er aus rechtlicher Sicht beanspruchen dürfte. Derartige Zahlungsvereinbarungen und damit einhergehende Aufwände dürfen und müssen über die Einigungsgebühr angemessen vergütet werden.

Auch wenn der BDIU vor dem Hintergrund gewisser Geschäftspraktiken der vergangenen Jahre den gesetzgeberischen Handlungswillen nachvollziehen kann, ist der gewählte Weg zu undifferenziert. Die Regelung ist unverhältnismäßig: Zwar werden die wenigen problematischen Fälle ansatzweise adressiert; gleichzeitig wird aber ignoriert, dass die überwiegende Zahl der schon unter aktueller Rechtslage verbraucherpolitisch unkritischen Ratenzahlungsvereinbarungen den tatsächlichen Aufwand in der Anbahnung, im Entstehen wie in der Überwachung nicht hinreichend abdeckt. Der Kollateralschaden überwiegt den verbraucherpolitischen Mehrwert hier bei weitem.

Im Rahmen der bisherigen Entwicklung des Code of Conduct des BDIU haben sich die BDIU-Mitglieder bereits auf eine Begrenzung der kostenpflichtigen Zahlungsvereinbarungen verständigt. Lebt eine einmal kostenpflichtig geschlossene Vereinbarung lediglich neu auf, was in der Regel nur dann der Fall ist, wenn der Schuldner eine zuvor getroffene Einigung nicht erfüllt, werden keine weiteren diesbezüglichen Kosten für den Schuldner angesetzt.

Überdies achten BDIU-Mitglieder darauf, dass die Einigungsgebühr bei Zahlungsvereinbarungen über kleine Hauptforderungen der Höhe nach in einem angemessenen Verhältnis zur Hauptforderung steht, sodass Zahlungsvereinbarungen in erster Linie eine Hilfe für den Schuldner und kein reiner Kostentreiber sind.

Die vorgesehene kategorische Deckelung der Einigungsgebühr wird deshalb wegen mangelnder Differenziertheit abgelehnt. Letztlich würden gerade zahlungswillige, aber temporär zahlungsunfähige Schuldner unter der Regelung leiden. Wenn Zahlungsvereinbarungen nicht mehr kostendeckend angeboten werden können, bleibt als Ausweg nur noch der für den Schuldner überaus kostenintensive und für den Gläubiger mit Kostenrisiken behaftete Übergang ins gerichtliche Mahnverfahren.

c || Vergütung im gerichtlichen Mahnverfahren

Regelungsansatz:

  • Streichung der Deckelung der Erstattungsfähigkeit der angefallenen Vergütung für die Vertretung im gerichtlichen Mahnverfahren auf 25 Euro für Inkassodienstleister.

Kurzbewertung:

Die Beseitigung der kostenrechtlichen Ungleichbehandlung von Inkassodienstleistern und Rechtsanwälten im gerichtlichen Mahnverfahren ist bereits verfassungsrechtlich zwingend geboten und eine logische, wenn auch verspätete Folge der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts aus den Jahren 2002 und 2004.

Die Aufhebung der Regelung des derzeitigen § 4 Abs. 4 Satz 2 RDGEG wird vom BDIU seit Jahren konsequent gefordert und daher uneingeschränkt begrüßt. Widersprechen müssen wir hingegen der Andeutung im Referentenentwurf, die Beseitigung der kostenrechtlichen Ungleichbehandlung im gerichtlichen Verfahren könnte die erheblichen kostenrechtlichen Schlechterstellungen im außergerichtlichen Verfahren auch nur im Ansatz kompensieren.

Wie im Referentenentwurf ganz richtig dargestellt, war und ist es de lege lata bereits möglich, die Aufwendungen im gerichtlichen Mahnverfahren in großem Umfang materiell-rechtlich erstatten zu lassen.

Mit Blick auf die Gleichstellung mit der Rechtsanwaltschaft ist die Anpassung bzw. Korrektur also durchaus begrüßenswert; finanziell fällt sie jedoch nur marginal ins Gewicht.

d || Bearbeiterwechsel

Regelungsansatz:

In Fällen der Doppelbeauftragung können grundsätzlich ausschließlich die Kosten erstattet verlangt werden, die bei Einschaltung nur des Rechtsanwalts oder nur des Inkassodienstleisters entstanden wären, soweit nicht ausnahmsweise besondere Gründe für einen Wechsel vorlagen.

Kurzbewertung:

Der Bearbeiterwechsel mit Gebührendopplung ist in der Vergangenheit vereinzelt praktiziert worden, um bei besonders obstruktiven Schuldnern doch noch eine Zahlung im Sinne des Gläubigers zu erreichen. Der Bearbeiterwechsel, sei es von Rechtsanwalt auf Inkassodienstleister, von Inkassodienstleister auf Inkassodienstleister oder von Inkassodienstleister auf Rechtsanwalt, überwindet in derartigen Fällen erfahrungsgemäß eine Mahnmüdigkeit, führt als Alternative zur Titulierung und Vollstreckung noch immer zu einem verhältnismäßig geringeren Eingriff in die Rechte des Schuldners und stellt zugleich einen kostengünstigeren Weg dar.

Der BDIU begrüßt, dass sich Rechtsanwälte und Inkassounternehmen die Gesamtaufgabe der vorgerichtlichen Forderungsbeitreibung nach wie vor teilen können. Dass im Erstattungsverhältnis nunmehr auch gesetzlich festgelegt wird, dass lediglich die Kosten vom Schuldner zu erstatten sind, die bei Beauftragung eines Inkassodienstleisters oder Rechtsanwalts bzw. einer Rechtsanwältin angefallen wären, wird vom BDIU unterstützt und ist Verbandsmeinung. Auch hier haben sich die BDIU-Mitglieder bereits auf einen ähnlichen Regelungsansatz im Code of Conduct geeinigt.

e || Informations- und Aufklärungspflichten

Regelungsansatz:

  • Rechtsanwälte sowie Inkassodienstleister, die Schuldnern Zahlungsvereinbarungen unterbreiten, sollen auf die dadurch entstehenden Kosten hinweisen müssen.
  • Zum anderen müssen Schuldner über wesentliche Rechtsfolgen eines angestrebten Schuldanerkenntnisses aufgeklärt werden, insbesondere darüber, dass sie in der Regel die Möglichkeit verlieren, Einwendungen und Einreden gegen die anerkannte Forderung geltend zu machen. Der Hinweis muss unter anderem Beispiele und Erläuterungen zur Verjährung umfassen.

Kurzbewertung:

Unterbreitet ein Inkassodienstleister einem Schuldner eine Zahlungsvereinbarung, so ist diese in vielen Fällen mit Zusatzvereinbarungen unterlegt. Ob Schuldanerkenntnis, Sicherungsabtretung (Lohn- und Gehaltsabtretung), Entbindung von Verschwiegenheitsverpflichtungen etc.: All dies dient dem Zweck, die berechtigten Interessen des Mandanten durchzusetzen.

Die Zusatzvereinbarungen erleichtern die Durchsetzung einer berechtigten Forderung und schützen diese vor dem Verlust durch Verjährung oder Insolvenz. Alternativ hierzu bliebe zur Sicherung der Forderung allein die Titulierung, die dem Schuldner nicht nur erhebliche Mehrkosten bereiten, sondern auch einen tieferen Eingriff in die Schuldnerrechte bedeuten würde. Ferner würden viele Schuldner verstärkt unter Druck gesetzt und durch Negativeinträge bei Auskunfteien hinsichtlich der Teilnahme am Wirtschaftsleben beeinträchtigt. Schlussendlich sind die Zusatzvereinbarungen also nicht nur klassische Instrumente der Rechtsdienstleitung für den Gläubiger, sondern schützen den Schuldner auch vor den Mehrkosten und Mehrbelastungen des gerichtlichen Verfahrens, welches so lediglich im Falle obstruktiver Schuldner als weitere Eskalationsstufe genutzt werden muss.

Wenn ein Inkassodienstleister einem Schuldner, wie in der Praxis üblich, eine vorgefertigte Zahlungsvereinbarung mit Zusatzvereinbarungen übermittelt, handelt es sich dabei oftmals um eine invitatio ad offerendum an diesen. Ohne eigenes Angebot des Schuldners kommen derartige Vereinbarungen nicht zustande. Insofern halten wir die Hinweispflicht auf die Höhe der gegebenenfalls anfallenden Einigungsgebühr für überflüssig. Wenn Schuldner und Inkassounternehmen sich ohnehin wechselseitig auf die Einigungsgebühr einigen, wäre der gesonderte Hinweis auf ihr Entstehen redundant.

Hinweise auf die genauen Rechtsfolgen von Zusatzvereinbarungen lehnt der BDIU hingegen kategorisch ab. Weder von einem Inkassodienstleister noch einem Rechtsanwalt kann verlangt werden, im Rahmen des Mandats faktisch Rechtsberatung für die Gegenseite zu leisten. Dies widerspräche mithin der Treuepflicht. Die Einhaltung des Verbots der Interessenkollision gehört zu den Grundpflichten des Anwalts und damit auch des Rechtsdienstleisters im Forderungseinzug. Der Parteiverrat ist sogar eine Straftat.

Die geplanten Vorgaben stehen insofern in massivem Widerspruch zu Grundprinzipien der Tätigkeit der Anwaltschaft und der Inkassodienstleister. Überdies würde eine solche Regelung außergerichtliche forderungssichernde Maßnahmen erschweren oder sogar vereiteln. Die Folge: Ein massiver Anstieg an Fällen, die in das für den Schuldner kostenintensive und für den Gläubiger (der die Gerichtskosten verauslagen muss) risikobehaftete gerichtliche Verfahren gehen müssen.

f || Aufsicht und Aufsichtsbefugnisse

Regelungsansatz:

  • Aufsichtsbehörden werden ermächtigt, zusätzlich die Einhaltung derjenigen Berufspflichten der registrierten Personen zu überwachen, die sich auch aus anderen Gesetzen als dem RDG ergeben und dürfen bei Verstößen entsprechende Maßnahmen treffen.
  • Umfasst wird auch die Überprüfung der §§ 3 bis 7 des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG), die unter anderem unlautere, aggressive und irreführende geschäftliche Handlungen sowie unzumutbare Belästigungen verbieten.

Kurzbewertung:

Der Bundesgesetzgeber versäumt es leider auch mit dem vorliegenden Referentenentwurf wieder, die Aufsicht über Inkassodienstleister weiter zu konzentrieren – sei es auf Bundesebene oder zumindest auf eine Behörde pro Bundesland.

Dies ist absolut nicht nachvollziehbar, weil damit weder

  • den übereinstimmenden Forderungen aller Akteure nach einer Konzentration der Berufsaufsicht,
  • der überschaubaren Größe der Branche
  • noch der in Anbetracht der vielen Millionen von Inkassounternehmen bearbeiteten Forderungen geringen individuellen Beanspruchung der mit der Aufsicht befassten Gerichte

Rechnung getragen wird.

Nachdem sich sowohl die Frühjahrskonferenz 2019 der Verbraucherschutzminister der Länder als auch die Frühjahrkonferenz 2019 der Justizminister der Länder für einen solchen Schritt ausgesprochen haben, überrascht und enttäuscht das Fehlen entsprechender Regelungen im Referentenentwurf umso mehr.

Letztlich stellen sich die im BDIU zusammengeschlossenen Inkassounternehmen zurecht die Frage, warum der Gesetzgeber nun zum wiederholten Male gesetzliche Verschärfungen für Inkassodienstleister etabliert, ohne hinreichend dafür zu sorgen, dass geltendes Recht gegen die wenigen unseriösen Unternehmen, die den Ruf der Gesamtbranche und auch die Verbraucher belasten, effizient und einheitlich durchgesetzt wird.

Dass anstelle der strukturellen Stärkung der Inkassoaufsicht nun die §§ 3 bis 7 UWG zusätzlich zum Maßstab der Aufsichtstätigkeit gemacht werden sollen, muss auf massives Unverständnis und begründete Kritik stoßen.

Zum einen erscheint es überflüssig, neben der bewährten zivilrechtlichen Durchsetzbarkeit des UWG nun auch noch einen Durchsetzungspfad über Verwaltungsbehörden zu öffnen. Die §§ 3 bis 7 UWG sind zivilrechtliche Normen, auf die sich jeder Verbraucher schon heute individuell oder gar mit den zum Teil neugeschaffenen Instrumenten des kollektiven Rechtsschutzes vor Zivilgerichten berufen kann. Letztlich wird die Durchsetzung des UWG schon allein dadurch sichergestellt, dass Verbraucherzentralen, die erste Anlaufstelle für sich benachteiligt fühlende Verbraucher und Schuldner sind, ein eigenes monetäres Interesse daran haben, möglichst regelmäßig gegen Verhalten von Inkassodienstleistern im Rahmen der Verbandsklage bzw. Abmahnung vorzugehen.

Nun soll eine weitere Rechtsschutzstruktur geschaffen werden, die aber nicht geeignet ist, den Rechtsschutz zu verbessern. Es wird keine Rechtsschutzlücke geschlossen, sondern es werden bereits vorhandene Rechtsschutzmöglichkeiten vervielfacht. An dieser Stelle muss auch ausdrücklich darauf hingewiesen werden, dass der Gesetzgeber im Hinblick auf die Durchsetzung des UWG eine Ausweitung auf Behörden bis dato bewusst nicht vorgesehen bzw. als wesensfremd erachtet hat.

Bezogen auf die Inkassopraxis droht der Standortfaktor durch diese Ausweitung in Kombination mit der nach wie vor völlig zersplitterten Aufsicht mehr denn je zu einem harten Wettbewerbsfaktor zu werden. Die Auslegung der unbestimmten Rechtsbegriffe des UWG ist komplex, die Rechtsprechung in diesem Bereich uneinheitlich. Nicht zuletzt aus dem Datenschutz ist bekannt, dass unterschiedliche Aufsichten unbestimmte Rechtsbegriffe gänzlich unterschiedlich interpretieren, ihr Verwaltungshandeln daran ausrichten können und so Einfluss auf den Wettbewerb in der Wirtschaft nehmen. Ohne zentrale Aufsicht, die eine einheitliche Auslegung des geltenden Rechts und folglich auch eine einheitliche Rechtsanwendung sicherstellt, ist die vorgesehene Kompetenzerweiterung kategorisch abzulehnen.

Hilfsweise könnte allerdings darüber nachgedacht werden, die Verhaltensregeln des Code of Conduct des BDIU zum verbindlichen Maßstab des Aufsichtshandelns zu erklären. So könnten Inkassodienstleister unabhängig vom Unternehmenssitz ihre Geschäftspraktiken und Inkassoprozesse rechtssicher und verbraucherfreundlich gestalten.