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Inkasso und christlicher Glaube – passt das zusammen?

Die Inkassounternehmerin Andrea Schweer ist Vorsitzende des BDIU-Rechtsausschusses und engagiert sich auch in der katholischen Kirche.

Andrea Schweer, Inkassounternehmerin und engagierte Christin

Sie sind Kirchenpflegerin der Kirchenstiftung St. Philippus und Jakobus in Altötting. Worin besteht diese Tätigkeit?

Als Kirchenpflegerin bin ich Mitglied und im übertragenen Sinne so etwas ähnliches wie die Vorsitzende der Kirchenverwaltung. Diese unterstützt unseren Pfarrer bei der Verwaltung des Stiftvermögens. Dazu gehört unter anderem die Verwaltung des Immobilieneigentums, der Friedhöfe und des sonstigen Vermögens. Altötting ist einer der sieben bedeutendsten Marienwallfahrtsorte Europas.


Finden andere in der Gemeinde es problematisch, dass Sie in Ihrem Beruf offene Forderungen von Schuldnern einziehen?

Ganz im Gegenteil. Mein Beruf und vor allem meine Ausbildung als Juristin haben den Ausschlag dafür gegeben, dass man mich zur Kirchenpflegerin gemacht hat.


Sind Inkassomaßnahmen gegenüber säumigen Zahlern mit dem christlichen Verständnis von Barmherzigkeit und Vergebung vereinbar? Empfinden Sie in dieser Arbeit einen ethischen Konflikt?

Das werde ich tatsächlich sehr häufig gefragt. Das Recht, Barmherzigkeit und Vergebung walten zu lassen, haben Inkassounternehmen gar nicht! Inkassounternehmen haben weder das Recht noch die Mittel, jemanden zu bestrafen. Es ist nichts Verwerfliches daran, wenn Menschen einmal eine Rechnung nicht bezahlt haben. Als Inkassounternehmerin behandle ich Forderungsschuldner immer mit Respekt. Respekt und Höflichkeit bringe ich allen Menschen entgegen, egal ob sie eine Rechnung bezahlen müssen oder deren Eintreibung fordern können.


Im Glauben bezeichnen die Worte „Schuld“ und „Schuldner“ eine moralische Verfehlung. Sind auch säumige Zahler „schuldig“?

„… wie auch wir vergeben wir unseren Schuldigern …“ heißt es im Vaterunser. Tatsächlich geht es in dem Gleichnis „Vom unbarmherzigen Gläubiger“ (*), mit dem Jesus seinen Jüngern diese Stelle im Gebet erklärt, um eine Geldschuld. Aber weder die Geltendmachung der Forderung noch das Bestehen der Forderung war die Verfehlung in diesem Gleichnis. Diese Stelle im Vaterunser heißt nichts anders, als dass wir andere so behandeln sollen, wie wir selbst behandelt werden wollen.

Und das passt eigentlich wieder ganz wunderbar zu den Regelungen im BGB, wo das Schuldverhältnis geregelt ist. Nehmen wir einen gegenseitigen Vertrag. Jede Vertragspartei möchte, dass die andere ihre Pflicht erfüllt. Man möchte also so behandelt werden, wie man selbst gehandelt hat. Unsere Mandanten haben ihre Schuld erfüllt (z.B. Lieferung von Ware) und erwarten jetzt von der anderen Seite deren Erfüllung der Schuld, nämlich die Bezahlung. Das ist ja der Kern des gegenseitigen Schuldverhältnisses: Jede Partei ist Schuldner des Anspruches der anderen Partei. Für moralische Verfehlungen ist da kein Raum.

Im Code of Conduct setzt sich der BDIU für ein faires Miteinander zwischen Gläubigern und Schuldnern ein. Wäre es fair, Menschen einmal ihr finanziell Geschuldetes zu erlassen – unter welchen Bedingungen wäre das denkbar?

Als praktizierende Christin könnte ich jetzt mit der Barmherzigkeit argumentieren. Als Juristin und langjährige Inkassounternehmerin argumentiere ich hier aber viel lieber unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten.

Ein Schuldner, der mit dem Rücken zur Wand steht und dadurch auch finanziell unbeweglich ist, kann nur in sehr begrenzten Rahmen am Wirtschaftsleben teilnehmen. Deshalb hat der Gesetzgeber das Verbraucherinsolvenzverfahren eingeführt. Das war kein Akt der Barmherzigkeit, sondern rein wirtschaftliche Beweggründe haben dazu geführt. Nur Menschen, denen Geld zur Verfügung steht, konsumieren und das kommt der Wirtschaft zugute. Mit der Restschuldbefreiung verfügt der ehemals verschuldete Verbraucher wieder über liquide Mittel mit denen er konsumieren kann.

Deswegen ist es für mich kein zwingender Akt der Fairness, sondern eine wirtschaftliche Notwendigkeit, Schuldnern unter bestimmten Bedingungen einen Teil der Schulden zu erlassen. Das außergerichtliche Schuldenbereinigungsverfahren ist eine solche Möglichkeit, die leider immer noch zu wenig genutzt wird. Das liegt daran, dass den Gläubigern hauptsächlich Null-Pläne vorgelegt werden. Das wiederum liegt meines Erachtens daran, dass viele Schuldner eine frühe organisierte Regulierung ihrer Schulden scheuen.

(*) Matthäus 18 (23-35)