Blog

BDIU-Geschäftsführer Dennis Stratmann im Interview

Zu Jahresbeginn ist Dennis Stratmann in die Geschäftsführung des BDIU aufgestiegen. Zusammen mit Hauptgeschäftsführer Kay Berg steuert er den Verband in für die Branche politisch und ökonomisch bewegten Zeiten.

BDIU-Geschäftsführer Dennis Stratmann

Seit dem 1. Januar 2021 bist Du Geschäftsführer beim BDIU. Was hast Du vorher gemacht, wie war Dein bisheriger Weg?

Ich bin gebürtiger Westfale, genauer gesagt aus dem Sauerland. Eine gern unterschätzte Region, nicht nur wenn es um Naherholung geht. Waldwanderwege im Mittelgebirge, viele Stauseen, gute Infrastruktur und eine solide Wirtschaft mit vielen mittelständischen Unternehmen, die oft „Hidden Champions“ sind.

Nach dem Wehrdienst bin ich nach Münster an die Westfälische Wilhelms-Universität gegangen, um dort Politik- und Rechtswissenschaften zu studieren. Nach dem Abschluss dort war Berlin meine nächste Station, um nach der ganzen Theorie endlich Berufserfahrung zu sammeln. Als Praktikant und auf befristeten Stellen, unter anderem bei Daimler und der Deutschen Post, habe ich dann schnell eine Profession gefunden, die mich wirklich fesselt: die politische Kommunikation und die organisierte Interessenvertretung, kurz also den Lobbyismus.

Wir Lobbyisten sind das Verbindungsstück zwischen Wirtschaft, Gesellschaft, Medien und Politik. Ein spannender, vielseitiger Beruf.

Komplett war meine akademische Neugier durch das erste Studium aber noch nicht gestillt. Ich habe mich deshalb an der Friedrich-Schiller-Universität Jena für den Studiengang „Öffentliche Kommunikation“ eingeschrieben. Berlin, mein Netzwerk und die berufliche Tätigkeit wollte ich aber nicht gänzlich aufgeben. Deshalb war ich auf der Suche nach einem flexiblen Nebenjob in Berlin. Nicht ganz einfach, wenn man zwar in Berlin arbeiten möchte, parallel aber rund 300 Kilometer weiter südlich in Thüringen in Vollzeit studieren will.

Den passenden Nebenjob hat mir dann 2014 der BDIU-Hauptgeschäftsführer Kay Berg ermöglicht, den ich im Zusammenhang mit dem „Gesetz gegen unseriöse Geschäftspraktiken“ kennengelernt hatte. Das Gesetz hatte nämlich 2012/2013 auch meinen damaligen Arbeitgeber, die Deutsche Post, beschäftigt. Die Themen rund um Inkasso waren für mich neu, die politische Situation der Branche spannend und ich wollte den Rechtsgebieten – BGB, Schadensersatz-, Schuld-, Zwangsvollstreckungs- und Insolvenzrecht waren im Studium nicht unbedingt meine Lieblinge – eine zweite Chance geben.

Seither haben die Dinge dann schnell Fahrt aufgenommen: Von der studentischen Hilfskraft wurde ich zum Junior Referenten, dann zum Manager, zuletzt zum Leiter Public Affairs und nun zum Geschäftsführer. Eine Herausforderung, auf die ich mich sehr freue.

Inkasso zählt nicht unbedingt zu den beliebtesten Berufsbildern. Dabei sollte das Bezahlen von Rechnungen eigentlich selbstverständlich sein. Warum geraten Inkassounternehmen so oft unter Rechtfertigungsdruck für ihre Tätigkeit?

Als Inkassounternehmer ist man halt leider kein Astronaut, kein Yoga-Guru und auch keiner der Halbgötter in Weiß, die täglich Menschenleben retten. Wer sich für eine Karriere im Inkasso entscheidet, muss wissen, dass das kein Beruf ist, dem automatisch Liebe und Anerkennung entgegenschlagen. Aber: Inkassounternehmen helfen Menschen und Unternehmen bei der Durchsetzung berechtigter Ansprüche, indem sie das geltende Recht nicht nur anwenden, sondern auch durchsetzen. Schlecht ist das nicht, und dafür sollte sich eigentlich niemand rechtfertigen müssen. Im Gegenteil, das ist ein sehr anerkennenswerter Beruf. Da kann man ruhig selbstbewusst auftreten.

Natürlich kenne auch ich die skeptischen Blicke, wenn man auf einer Party im Smalltalk sagt, dass man „für Inkasso“ arbeitet. Da geht es mir wohl wie vielen unserer Mitglieder. Ich muss mich dann zusätzlich noch dafür rechtfertigen, nicht nur Inkasso, sondern darüber hinaus noch Lobbying zu machen. Auch da gibt es viele Mythen und Vorurteile. Aber ist das wirklich so schlimm? Die meisten Berufe, die mir spontan einfallen, bieten weit weniger Stoff für unterhaltsame Diskussionen.

Und ich denke schon, dass professionelles Inkasso gerade im zurückliegenden Jahrzehnt deutlich an Ansehen und Respekt gewonnen hat. Nicht nur bei den vielen Unternehmen und Menschen, die die Dienstleistung aus guter Erfahrung nutzen, sondern auch im öffentlichen Raum.

Das äußert sich nicht nur in der Bereitschaft der ehemaligen Justiz- und Wirtschaftsministerin Brigitte Zypries, als Ombudsfrau der Inkassowirtschaft tätig zu sein. Auch in den Medien kommt Inkasso immer häufiger im positiveren Kontext vor. Ein Beispiel: Die tolle Reportage über den Inkassoalltag der BDIU-Rechtsausschussvorsitzenden Andrea Schweer, die auf ProSieben lief. Auch dass der Schuldneratlas der Creditreform von vielen Medien mittlerweile als Seismograph für gesellschaftliche und soziale Entwicklungen genutzt wird, beweist das. Und dass Minister, Botschafter oder Staatssekretäre mittlerweile Stammgäste auf unseren Branchenevents sind, ist keine Selbstverständlichkeit, sondern Ergebnis eines Imagewandels der Branche.

Die aktuelle Legislaturperiode ist demnächst zu Ende. In ihr hat es für die Inkassobranche wichtige Weichenstellungen gegeben: Das neue Inkassorecht wurde verabschiedet, und der BDIU hat sich einen Code of Conduct gegeben. Dein vorläufiges Fazit dazu?

Die aktuelle Legislaturperiode war für die Inkassowirtschaft und den BDIU ganz außerordentlich herausfordernd. Der Gesetzgeber hat in wirklich jedem inkassorelevanten Bereich zum Teil grundlegende Reformen durchgeführt. Daneben traten die intensiven und kontroversen innerverbandlichen Debatten um die Selbstregulierung.

Im Vordergrund stand natürlich die nun abgeschlossene Inkassoregulierung, der eine unseriöse, aber folgenreiche Evaluierung des Inkassomarktes durch ein rein verbraucherorientiertes Institut vorangegangen ist. Das Ergebnis damals war für uns alle ein heftiger Schlag ins Kontor.

Aber auch daneben haben uns wichtige Themen auf Trab gehalten: Das Insolvenzrecht wurde mit zwei Gesetzen erneuert, das Pfändungsschutzkonto grundlegend reformiert, das Gerichtsvollzieherwesen erhielt kleinere Anpassungen, die Musterfeststellungsklage wurde als neues Instrument der gerichtlichen Streitbeilegung implementiert. Aktuell läuft unter anderem mit dem Gesetz zur Förderung verbrauchergerechter Angebote auf dem Rechtsdienstleistungsmarkt noch eine Reform des anwaltlichen Berufsrechts, in der auch die Essentialia der Inkassobranche, beispielsweise die Möglichkeit der Vereinbarung von Erfolgsprovisionen, diskutiert werden.

Fest steht: Die Anforderungen, die Gesellschaft und Politik an Inkassodienstleister stellen, sind überall deutlich gewachsen. Zeitgleich wurde auf Einkommensseite der Branche, im Bereich der erstattungsfähigen Inkassokosten, wider besseres Wissen drastisch gekürzt. Und die nächste Evaluierung wird schon Ende 2023 stattfinden. Ihre Stoßrichtung ist klar: Von Inkassounternehmen wird auch künftig noch mehr Engagement im Bereich des Verbraucherschutzes verlangt.

Mit dem Code of Conduct für das Forderungsmanagement, aber auch mit der Wahl von Brigitte Zypries zur Ombudsfrau der Inkassowirtschaft haben die BDIU-Mitglieder aber gezeigt, dass sie sich aktuellen verbraucherpolitischen Debatten nicht verschließen, sondern aktiv Verantwortung übernehmen.

Im September werden die politischen Karten neu gemischt. Ab dem Frühjahr wird der gesetzgeberische Elan daher erst einmal zum Ruhen kommen. Heißt das, das BDIU-Team hat dann frei bis zum Herbst?

Es stimmt schon, Präsidium und Geschäftsführung des BDIU mussten sich seit 2017 neben dem Code of Conduct stark auf die politischen Vorhaben konzentrieren. Aber keine Sorge, auch 2021 bringt neue Aufgaben:

In den kommenden Monaten wird es darum gehen, trotz der erschwerten Bedingungen durch die Pandemie geeignete Formate zu finden, um die Mitglieder bei der Implementierung der vielen neuen Gesetze und des Codes of Conduct zu unterstützen. Unser Postfach für Mitgliedsanfragen läuft bereits seit einigen Wochen heiß. Die Unsicherheiten, die das neue Inkassorecht bringt, sind groß. Deshalb bieten wir in den kommenden Monaten gemeinsam mit der Inkassoakademie zahlreiche Web-Tutorials an, in denen wir Praxistipps zum kommende Inkasso-, Berufs- und Kostenrecht geben.

Nach den tollen Erfahrungen mit dem virtuellen Kongress Ende letzten Jahres gehen wir diese Herausforderung aber sehr optimistisch an. Der BDIU hat bereits bewiesen: Verbandsleben und berufliche Fortbildung sind auch im virtuellen Raum möglich.

Parallel dazu bereiten Kay Berg und ich uns gemeinsam mit dem BDIU-Team natürlich auch schon auf zwei große „R“ vor: neue Regierung und erneute Regulierung.

Egal welche Farben die nächste Koalition hat, der Verbraucherschutz wird einen sehr hohen Stellenwert behalten. Wir sind daher mit allen Parteien außer der hellblauen mit starkem Hang ins Braune vernetzt.

Auch das Gesetz zur Fortentwicklung des Verbraucherschutzes im Inkassorecht wird, wie gesagt, evaluiert werden, um den Grundstein für eine neue Regulierung zu legen. Diesen neuerlichen Stresstest gilt es langfristig vorzubereiten. Denn es wird entscheidend sein, dass sich die Inkassowirtschaft über den BDIU mit belastbarer und aussagekräftiger Empirie und, vor allem, mit einer Stimme am Evaluationsprozess beteiligt.